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Kommentar ARD-Themenwoche ToleranzMehr Matussek!

Daniél Kretschmar
Kommentar von Daniél Kretschmar

Der Hessische Rundfunk verteidigt Matthias Matussek als „homophob, aber nicht menschenverachtend“. Stimmt, der Publizist ist mustergültig tolerant.

Die fleischgewordene Toleranz: Matthias Matussek. Bild: dpa

D ie „Themenwoche Toleranz“ der ARD samt angeschlossener Anstalten sorgte bereits im Vorfeld mit ihrer Werbekampagne für reichlich Unmut. Eine Posterserie, die Ressentiments gegenüber gesellschaftlich marginalisierten Gruppen in Frageform referierte, wurde breit rezipiert, kritisiert und auch veralbert.

Einer der Höhepunkte der Themenwoche jedoch schlägt die Werbekampagne noch um Längen. In einer Diskussionsrunde des Hessischen Rundfunks (HR) bekam auch der bekennend homophobe Krawallkolumnist Matthias Matussek eine gebührenfinanzierte Plattform geboten.

Für diesen Gast fordert der HR in Person des Redaktionsleiters Meinhard Schmidt-Degenhard in einem offenen Chat nach der Sendung – welch Ironie! – Toleranz ein. „Herr Matussek [...] ist ein pointiert argumentierender, aber kein unreflektiert hetzender Zeitgenosse. Wir sollten doch so fair und tolerant miteinander umgehen, dass auch ein Matussek bei uns vorkommen kann.“

Nehmt das, ihr miesen Müslilesben mit Migrationshintergrund! Ihr müsst doch selber erst einmal tolerant sein! Später gelingt Schmidt-Degenhard sogar noch das Kunststück, dem gegenüber Matussek formulierten Vorwurf der Menschenverachtung zu begegnen: „Wenn Herr Matussek sich als homophob bezeichnet, so ist das seine persönliche Selbsteinschätzung – aber meines Wissens ist Homophobie nicht zwangsläufig menschenverachtend.“

Matussek ist überlegen

Jemand, der homosexuelle Partnerschaften defizitär nennt (keine Kinder!), kann das also tun, ohne die in solchen Partnerschaften lebenden Menschen zu demütigen. Ausgezeichnet. Das Andere ist zwar weniger richtig als das Eigene, wird aber nicht verachtet. Natürlich ist Matussek überlegen in seiner genormten heterosexuellen Welt, glaubt aber zum Beispiel „nicht, dass die [homosexuelle] Veranlagung Sünde wäre.“

Matussek hat nichts gegen Schwule und es braucht auch keine Absolution für das perverse Treiben, nur ein bisschen weniger Aufdringlichkeit. Matussek hat nichts gegen Schwule, nur öffentlich küssen sollten sie sich vielleicht nicht. Und anfassen, also anfassen sollen sie ihn auch nicht bitteschön. Das ist doch nicht zuviel verlangt. Und Matussek hat wirklich nichts gegen Schwule, diese defizitären, aber ansonsten gleichwertigen Menschen.

Genau so geht Toleranz: Sich selber als Maßstab setzen und abgrenzen von jenen, die diesem nicht genügen. Dabei bringt man aber immerhin so viel Zivilisation im Gepäck mit, dass man den Tierchen ihr Plaisierchen lässt und sie nicht gleich wegsperrt.

Matthias Matussek wird vielleicht selber drüber lachen müssen, aber einen hervorragenderen Repräsentanten der toleranten Gesellschaft als ihn wird man nicht so leicht finden. So gesehen ist es doch bedauerlich inkonsequent, dass ihm nur so wenig Platz bei der „Themenwoche Toleranz“ eingeräumt wird. Zum Glück besteht Hoffnung für künftige Gelegenheiten, schließlich wird unsere Gesellschaft immer toleranter. Jeden Tag.

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Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
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17 Kommentare

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  • Das mit dem öffentlichen Küssen ist eine Unsitte egal wie geschlechtlich und gehört außer bei frisch Verliebten polizeilich verboten, mindestens!

     

    Davon abgesehen mache ich um jeden Text von Matussek einen riesen Bogen - immer schon.

  • Dass die selbsternannten Toleranzprediger immer solche Probleme damit haben, wenn es Menschen gibt, die eine andere Meinung äußern. Am Ende sind sie vielleicht gar nicht so tolerant wie sie sich in ihrer moralischen Arroganz selbst immer gerne sehen...

    • @pretrib07 :

      Nur die Überschrift gelesen? Genau um dieses Totschlagargument geht es im Text. Intoleranz muss NICHT toleriert werden.

      • @jumideuster:

        Ich glaube ja, dem Artikel richtigerweise zu entnehmen, dass es vor allem darum geht, zu zeigen, dass Toleranz prinzipiell ne ziemlich miese Kiste ist, weil sie nach wie vor in "Wir=gut/Die=nicht so dolle, aber lass sie halt mal" einteilt.

        Akzeptanz statt Toleranz war mal so ein Stichwort.

         

        Abgesehen davon gaben Sie natürlich Recht.

  • "Meines Wissens ist Antisemitismus nicht immer menschenverachtend".

     

    Hätte Herrn Schmidt-Degenhard auch dieser Satz entschlüpfen können? Und hätte er andere Konsequenzen gehabt?

     

    Weshalb gilt Homophobie noch immer als harmloser als andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit?

    • @Klaus F.:

      Weil die meisten Leute homophob sind?

  • Vor 30 Jahren sang mal ein holländischer Liedermacher diesen so treffenden Text:

    "Morgen sind wir tolerant, tolerant, tolerant

    und finden selbst die größten Idioten interessant

    wir reichen jedem Arsch die Hand, und was uns stört in diesem Land

    das wird ab morgen nicht mehr eine Schweinerei genannt.

    Ab morgen sind wir positiv, und nicht mehr so auf dem qui-vive

    wir rücken nichts mehr gerade, nein, wir lassen alles schief, na klar!

    Fortan glauben wir an Lügen, weil sie in der Zeitung steh'n

    greifen nichts mehr mit Kritik an - was geht uns die Politik an?

    Haben wir uns nicht schon oft genug die Finger dran verbrannt?

    Das wird anders: morgen sind wir tolerant."

    Passt doch, oder?

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)
    [...] Kommentar entfernt. Beachten Sie die Netiquette!
  • Es war schon immer schwierig nicht der gesellschaftlichen 'Norm' zu entsprechen, auch wenn diese sich ins Gegenteil verändert.

  • Hä - ??

     

    Matuss - wer?

    Who the fuck is Matussack?

     

    Gornet erst ignorieren.

  • Da hat Herr Meinhard Schmidt-Degenhard mit dem Herrn Matussek, von dem er spricht, offenbar einen anderen gemeint als den, von dem in der taz die Rede ist. Seine Beschreibung passt überhaupt nicht zu der Person, die in der taz abgebildet ist und die auch ich meine. Dieser Herr Matussek ist alles andere als tolerant. Für den Eindruck, den ich von ihm gewonnen habe, schweigt des Sängers Höflichkeit!