Kommentar AKW-Laufzeiten: Hoffentlich mehr als Taktik
Um die Grünen auf die Seite der Union zu ziehen, können ein paar atomkritische Aussagen sicher nicht schaden.
W enn ein CDU-Ministerpräsident zwei Tage nach der Wahl die Forderung der eigenen Partei nach längeren AKW-Laufzeiten infrage stellt, deutet zunächst vieles auf ein taktisches Manöver hin. Schließlich ist Peter Müllers einzige Chance, im Saarland an der Macht zu bleiben, derzeit ein Bündnis mit den Grünen. Um die auf seine Seite zu ziehen, können ein paar atomkritische Aussagen sicher nicht schaden.
Taktisch geschickt ist das vorsichtige Abrücken vom Ende des Atomkonsenses auch im Hinblick auf die anstehenden Verhandlungen mit den Energiekonzernen. Schließlich will die Union für längere AKW-Laufzeiten eine Gegenleistung, nämlich einen Teil der zusätzlichen Gewinne. Die Chance, sich damit durchzusetzen, ist größer, wenn die Konzerne sich ihres Sieges nicht zu sicher sind.
Es gibt aber auch eine berechtigte Hoffnung, dass es sich beim Abrücken vom Pro-AKW-Kurs nicht nur um Taktik handelt. Möglicherweise wird der Union zunehmend bewusst, wie groß das Konfliktpotenzial beim Atomthema ist. Denn alle Umfragen belegen, dass Schwarz-Gelb nicht wegen, sondern trotz der angekündigten Laufzeitverlängerungen gewählt worden ist. Neben dem Sozialsektor ist das Ende des Atomausstiegs das Thema, bei dem die Stimmung im Land am schnellsten gegen die neue Regierung kippen kann. Die Atomkraftgegner innerhalb wie außerhalb des Parlaments werden ihre Chancen nutzen.
Zudem werden auch Union und FDP irgendwann feststellen müssen, dass sich ihre Forderungen nach einem Ausbau erneuerbarer Energien und dem Weiterbetrieb von Atomkraftwerken faktisch ausschließen, weil unflexible AKWs und variabler Wind- und Sonnenstrom nicht zusammenpassen. Wenn aber klar ist, dass der Preis für die Milliardengewinne der Atomkonzerne ein Schrumpfen des bisher boomenden Sektors der Erneuerbaren ist, wird auch in der Union der Widerstand stärker werden.
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