Kommentar 25 Jahre Wahrheit: Wahlkampf mit Holzkeule
Lange musste die Wahrheit auf die glänzende Sonne Washingtons warten. Nun blühen auch dem Land seiner Vorfahren schrecklich schöne Zeiten.
H eute jubiliert und frohlockt die ganze Welt: Nicht nur weil die einzige und einzigartige Wahrheit 25 Jahre alt wird und ihr silbernes Jubiläum feiert, indem sie die Seite eins der taz im Handstreich kapert. Nein, gejauchzt wird auch, weil die Wahrheit als erstes Organ der irdischen Hemisphäre eine höchst reizvolle und dankbare Aufgabe übernimmt. Sie verbreitet hiermit jene Herrschaftsprosa, die der neue, große und geliebte Führer der nordamerikanischen und westlichen Welt, die glänzende Sonne Washingtons, Donald John Trump, höchst verdient hat.
Nicht umsonst hat der tolle Trumm von Trump uns Journalisten im Wahlkampf als „Lügenpresse“ angeklagt. Schande über uns! Ja, wir sind die „Lügenpresse“ gewesen und nun sehr, sehr dankbar, dass wir weiterexistieren dürfen unter einem herrlichen Herrscher und tapferen Helden der Freiheit, der wie ein liebevoll trötender Elefant durch den dunklen Politdschungel trampelt.
Wir nehmen unsere neue Rolle gern an, wie so viele, die sich gerade unterwürfig an den Thron im Weißen Haus heranrobben und dem frischen Machthaber im Oval Office auf den Schoß springen, um ein Fitzelchen der Macht zu erlangen. Das wäre unter einem US-Präsidenten Obama niemals möglich gewesen. Liebesbekundungen für den mächtigsten Drohnenfürsten der Welt waren verpönt, nur in äußerst sachlicher Form berichtete auch diese Zeitung über die Arbeit und den Abschied Obamas.
Deshalb ist es umso wichtiger, nun die Vorzüge des sympathischen Spitzenmanns Trump an dieser Stelle kundzutun. Schließlich ist der designierte Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika nicht nur einer der schönsten, sondern auch klügsten Männer des Universums. Der nobelpreisverdächtig scharfsinnige Führer der USA strahlt heller als jedes Licht hinaus ins Erdenrund und auch tief hinein in das kleine ergebene Deutschland, das bereits in Ehrfurcht erstarrt vor dem brillanten Blondschopf.
25 Jahre Wahrheit
Wird doch im Land seiner Vorfahren bald Wahlkampf sein, und schon jetzt wollen alle kleine Dubletten des herrlichen Recken werden. Ach, was freuen wir uns auf Wahlkampfslogans wie: „Wir machen Germanien wieder groß.“ Hoffentlich mit Speer, Hordenbart und Holzkeule. Zurück in die Urzeit. Ein Wahlkampf als Schlachtfest der Demokratie. Es wird schrecklich schön!
Seit 25 Jahren erscheint die Wahrheit als einzige Satireseite einer deutschen Zeitung – das wollen wir feiern!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour