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Kommentar 10-Punkte-PlanUngebremste Fleischeslust

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Die Reformen sind sinnvoll und gehen in die richtige Richtung. Aber sie stabilisieren ein System, das weder ökonomisch noch ökologisch oder gar ethisch eine Zukunft hat.

W ürde es Ihnen einfallen, braune Schuhcreme und Nutella in zwei nebeneinander stehenden Maschinen zu produzieren? Bei so großer Verwechslungsgefahr? Eher nicht. Aber die Agrarminister von Bund und Ländern haben Jahrzehnte und mehrere Skandale gebraucht, um zu dieser Einsicht zu gelangen. Gestern stand deshalb auf ihrer Tagesordnung, dass Futter- und Lebensmittelfette in Zukunft nicht mehr im selben Betrieb hergestellt werden sollen.

Das klingt wie gesunder Menschenverstand - und zeigt das Problem. Denn es gehört eigentlich auch zu Verstand und Anstand, dass man Hühnerküken nicht gleich nach dem Schlüpfen schreddert, wenn sie zufällig männlich sind, oder Ferkel ohne Betäubung kastriert. All das sind anerkannte Zuchtmethoden in einem Land, in dem zugleich regelmäßig Millionensummen für den Tierschutz gespendet werden.

In der industriellen Tiermast geht es aber nicht um Verstand und Anstand, sondern vor allem um möglichst große Fleischeslust zum möglichst geringen Preis. Sie ist eine milliardenschwere Industrie, die diese Art von Lebensmitteln mit Steuergeld herstellt - und der ab und zu eben ein kleiner Betriebsunfall wie Dioxin im Futtermittel unterläuft.

Der Autor

BERNHARD PÖTTER leitet das taz-Ressort "Wirtschaft und Umwelt".

Dieser Logik bleiben die Agrarminister treu. Ihre Reformen sind sinnvoll und gehen in die richtige Richtung. Aber sie stabilisieren ein System, das weder ökonomisch noch ökologisch oder gar ethisch eine Zukunft hat. Die Maßnahmen sollen das Konsumvolk kurz vor der "Grünen Woche" besänftigen, das sich schockiert zeigt und erst morgen wieder billige Schnitzel will. Vielleicht verhindern die Reformen sogar den nächsten Skandal. Aber der übernächste wird nicht lange auf sich warten lassen.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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5 Kommentare

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  • M
    Marco

    Fürs Geld tun diese feinen Herrschaften alles! Die verkaufen sogar ihre eigene Mutter im Sack!

  • W
    www.schnitzel-ist-out.de

    Die Leute wollen es doch billig, wer Tierquälerei in Massentierhaltung in Kauf nimmt um 3 mal am Tag billig totes Tier zu essen, der kann auch ein bißchen Dioxin, Antibiotika und Hormone zu sich nehmen. Ist doch dann auch egal, woher der Krebs kommt. MAHLZEIT!

  • A
    Antonietta

    Ein Deutscher isst ungefähr 200 Gramm Fleisch pro Tag. Macht jährlich etwa 80 Kilo Fleisch pro Kopf und rund 6,5 Milliarden Kilo Fleisch für das ganze Land. Eine solche Masse an Fleisch kann man aber nur bereit stellen, wenn man die Tiere in Massen züchtet und im Akkord tötet. Diese Massentierhaltung ist nicht nur furchtbar für die Tiere, sie ist auch schlimm für unsere Umwelt, für das Klima und für die Gerechtigkeit auf der Welt. Es gibt viele gute Gründe, nie mehr Fleisch zu essen. Aber eigentlich reicht schon einer...!

  • H
    Hans

    Schwarze Schafe gibs, auch bei den Grünen. An Dioxin wird keiner akut bedroht, scheiße ist das trotzdem. Aber Futtermittelmafia, durch die Bank Verbrecher nennen, das geht mir persönlich zu weit. Wie der ganze Medienrummel um Dioxin.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Was soll der Quatsch mit dem Verwechseln? Es wurde nichts verwechselt, sondern nur billig gepanscht. Das Verbrechen ist die verwendung des Industriefettes und das wahrscheinlich schon länger und bewußt, leider war einmal aus versehen Dioxin enthalten und erst dadurch ist diese Machenschaft ans Licht gekommen. Diese Herren wollten nicht Dioxin ins Futter mischen sonder Industriefette umdeklarieren für de schnöden Profit.