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Kommenar JustizdealsDie Gerichte sind schon überlastet

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der Vorschlag von Wolfgang Schäuble zur Kontrolle von Justizdeals ist ist anerkennenswert - aber zu bürokratisch.

D eals im Gerichtssaal haben einen faden Beigeschmack. Die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit verträgt sich schlecht mit einem Handel "milde Strafe gegen Geständnis". Da die Gerichte jedoch auf absehbare Zeit überlastet sein werden, bedarf es weiter solcher Absprachen. Innenminister Schäuble fordert nun, sie besser zu kontrollieren. Das ist anerkennenswert, aber zu bürokratisch.

Bild: taz

Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

Eine bessere Kontrolle ist in mehrerlei Hinsicht wünschenswert. Zum einen kann ein faules Gericht, nur um den Prozess abzukürzen, einen unerfahrenen Angeklagten zum Geständnis einer Tat überreden, die er gar nicht begangen hat. Umgekehrt kann ein cleverer Angeklagter mit teuren Anwälten dem Gericht so viel Arbeit machen, dass ein prozessbeendendes Geständnis mit unangemessen niedrigen Strafen belohnt wird. Und generell leidet die Akzeptanz des Strafverfahrens, wenn der Eindruck entsteht, dass die Absprachen zu unangemessen harten oder milden Strafen führen.

Eine generelle Kontrolle der Deals durch Gerichtspräsidenten, Staatsanwaltschaften oder Justizminister scheitert aber schon im Ansatz. Die Deals haben sich ja durchgesetzt, weil es der Justiz an Personal mangelt. Deshalb fehlen natürlich auch die Mittel zum Aufbau einer großen Kontrollbürokratie. Es müsste ja in jedem Fall geprüft werden, ob der Sachverhalt des Falles im Kern ermittelt und auf dieser Grundlage eine angemessene Strafe gefunden wurde. Denn nur dann ist eine Urteilsabsprache akzeptabel.

Sinnvoller wäre deshalb, wenn ein Deal nur bei konkreten Protesten kontrolliert wird. Der Angeklagte, der sich genötigt fühlt, muss deshalb trotz Geständnis stets Berufung einlegen können. Dasselbe Recht müssen auch die Opfer der Straftat haben, die bei den Deals nicht gefragt werden, sowie Angeklagte in anderen Prozessen, die durch das Ergebnis eines Deals belastet werden. In Fällen öffentlichen Interesses müsste auch der Justizminister oder der Landtag eine Überprüfung durch ein anderes Gericht fordern können. So würde sich Kontrolle auf die Fälle konzentrieren, auf die es ankommt.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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