Kolumne: Ein Lied für Ulla und Maybrit

Ökosex-Gefühle verändern die Wahrnehmung der Welt: Da muss man aufpassen, dass man nicht unfair wird

Al Gore ist ein super Typ. Trommelte global all die Vorgruppen zusammen für Ökosex. Und da nölen wir auch nicht kleinkariert über die Privatjets der Stars. Nein, Ökosex möchte die Menschen da abholen, wo Al Gore sie stehen lässt. Nämlich bei mir in der Küche: "Was mache ich denn jetzt mit meinem Zeh-oh-Zwei?", fragen diese. Ich hol die Gitarre raus und singe unser Lied: "Mach mit beim Ökosex Klimaclub! Schwupp di dupp!" Ja, das ist die Idee! Einfach 50 % Kohlendioxid runter beim privaten Wohnen und Mobilsein bis Ende 2008.

Da sind viele Freunde erst mal erstaunt, die daran dachten, sich eine zweite Energiesparlampe zu kaufen. Weil ich den Mund so voll nehme, stehe ich diese Woche in meinem Urlaub voller Staub auf dem Dachboden. Dach dicker dämmen, das soll mir schon 1/5 meines Klimaclub-Ziels bringen. Die Prospekte der Solarheizung liegen auch schon auf dem Nachttisch. Und da muss ich sagen: Meine Photovoltaik-Anlage auszuwählen war Pipifax verglichen mit einer solarthermischen Heizungsunterstützung. Speichergröße? Rücklauftemperatur? Kollektorfläche? Das ist Rock n Roll, denn es geht um 20 bis 30 % Sonnenanteil an der gesamten Wärme, nicht nur um Warmwasser. Merke: das solare Heizen ist der schlummernde Riese der solaren Effizienzrevolution. Und wie jeder weiß, muss ein Wärmegesetz her, um das finanziell attraktiver zu machen. Leider können wir Klimaclubberer nicht auf die Politik warten. Altbau-Solarisierung now! Finde ich übrigens einen schönen Begriff. Ich solarisiere. Du solarisierst. In ein paar Wochen mehr davon.

Konsum-Predigen, die Zweite: Ich habe mal die Pressestelle vom 1,5-Liter-Auto Loremo angerufen. Ich möchte ja so gerne vom 3-Liter- auf ein 1,5-Liter-Auto umsteigen. Auf der IAA wird dieses Jahr ein fahrbarer Prototyp vorgestellt. Dann folgen die Zulassungsverfahren, und im Jahr 2009 soll dann wirklich die Produktion losgehen. Toi, toi, toi, Loremo! Heute schon zu kaufen gibt es den Vectrix. Ein neuer, großer elektrischer Scooter, der vielleicht für Pendler interessant sein könnte. Solartankstelle auf dem eigenen Dach und damit zur Arbeit zischen! Wie fein muss sich das anfühlen. Wahrscheinlich fast so schön wie Klimadebatten im Fernsehen. Apropos.

Maybrit Illner ist eine tolle Journalistin, sie ist immer tipptopp vorbereitet, wenn sie ihren handverlesenen Gästen auf den Zahn fühlt. Letzte Woche wieder Klima. Herr Wissmann erklärte sehr sympathisch, wie die deutsche Autoindustrie es richten wird. Herr Hogrefe von der EnBW hatte viel Zeit, um ausführlich die Klimaschutzanstrengungen seines Konzerns preisen zu können. Da sah ich Ulla Gahn in der ersten Zuschauerreihe sitzen. Doch die Erfinderin der www.naturstrom-wechselparty.de kam nicht zu Wort, konnte aus Zeitgründen nicht mehr wie geplant zum Stromwechselspaß befragt werden. Das fand ich natürlich voll blöd. Emotional aufgewühlt, wie wir Ökosexliebhaber halt so sind, war ich ein bisschen verblendet. Ich habe Maybrit Illner in den nächsten Tagen um ein Gespräch gebeten. Am Telefon sagte ich ihr beleidigt, dass ich das Gefühl hatte, die Automobil- und Energiebranche habe in ihrer Talkshow zu viel Sendezeit gehabt, wie überhaupt ständig in Talkshows. Und ob es nicht altmodisch sei, das Thema immer wieder anzureißen mit diesem jammernden "Ach, wie teuer wird der Klimaschutz für uns!".

Natürlich war das total albern und unfair. Sorry, Maybrit Illner! Ich war ein typisches Opfer meiner Ökosex-Gefühle geworden. Anscheinend kann ich wegen meiner Klimaschutzneigung die Medienwirklichkeit nicht mehr richtig einschätzen. Maybrit Illner blieb erstaunlich freundlich. Sie versicherte mir überzeugend, in der Sendung seien mit Greenpeace und einem regionalen Energieanbieter kräftige Gegenstimmen da gewesen, und überhaupt kamen in früheren Sendungen ganz viele gesellschaftliche Initiativen und Klimaschutz-Fürsprecher zu Wort. Wie konnte ich mich nur so täuschen? Seis drum. Als Wiedergutmachung für meinen Irrtum: "Watn Knall bei Vattenfall", das hochaktuelle Ökosex-Musikvideo, ist jetzt Maybrit Illner und Ulla Gahn gewidmet.

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