Kolumne: "Ich flieg doch nie von dem Flughafen, also ist er mir egal"
Vier Tage vor dem Volksentscheid zum Flughafen Tempelhof: Im M 29 Richtung Hermannplatz herrscht großenteils Gleichgültigkeit.
Fahrgeräusche mischen sich mit harten Hiphopbeats. Im M 29er-Bus auf dem Weg von der Rudi-Dutschke-Straße Richtung Hermannplatz sitzt vorne im Oberdeck Seylai Saritas und hört Musik auf seinem MP3-Player. Es ist Mittag, der ganze Bus hört mit, unfreiwillig. Lässig hat sich Seylai mit seiner Baggyjeans auf zwei Sitzplätzen ausgebreitet. "Tempelhof? Mir doch egal", sagt der 19-Jährige. "Soll der Flughafen bleiben, schadet doch keinem", murmelt er. Abstimmen will der gelernte Tischler beim Volksentscheid aber nicht. Auch wenn er schon glaubt, dass die Regierung auf Volkes Stimme hören wird. "Sonst brauchen die uns doch gar nicht fragen."
In der Reihe vor Seylai sitzen zwei kichernde Mädchen, etwa 18 Jahre alt. Eine spielt mit ihren langen schwarzen Zöpfen. Dass der Flughafen Tempelhof existiert, wissen sie, aber das ist auch schon alles. "Was? Ähm, der soll irgendwie geschlossen werden, stimmts?" Mehr fällt ihnen dazu nicht ein, abstimmen werden sie auch nicht. Dann sehen sie sich an: "Ey, wollen wir nicht einfach sagen, wir sind dafür?", sagt die eine. Ihre Freundin: "Ja, genau, wir sind dafür."
Auch bei anderen Fahrgästen stößt das Thema Tempelhof nicht auf allzu großes Interesse. Mehmet aus Schöneberg winkt ebenfalls ab: "Ich komm grad aus der Schule und will mich erst mal ausruhen." Der 25-Jährige ist genervt. Dann fällt ihm doch noch etwas ein: "Ich flieg doch nie von dem Flughafen, also ist er mir egal. Und die Regierung wird doch sowieso nicht auf uns hören", meint er - da ertönt ein lautes Klingeln. "Entschuldigung, mein Handy. Das ist wichtig", sagt Mehmet und dreht sich weg.
Immerhin: Eine Mitfahrerin hat dann doch eine dezidierte Meinung zu Tempelhof - aus ganz persönlichen Gründen. "Ich kann was dazu sagen! Ich will, dass der Flughafen bleibt", ruft Erden Bingöl, obwohl sie gar nicht gefragt wird. Die 44-Jährige streicht ihre langen dunklen Haare zurück und reißt die Augen auf. "Ich arbeite am Flughafen Tempelhof. Wenn er nicht gerettet wird, verliere ich meinen Job", sagt sie. Einige Mitfahrende drehen sich zu ihr um. Erden ist Verkäuferin bei einem Bäcker auf dem Flughafengelände. Sie wird abstimmen, das steht außer Frage. "Ich glaube aber, die Regierung wird den Flughafen trotzdem schließen", ergänzt sie leise. Die anderen Fahrgäste drehen sich gleichgültig wieder weg.
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