piwik no script img

Kolumne WutbürgerWeitwurf für Olympia

Kai Schächtele
Kolumne
von Kai Schächtele

Sie pfeffern Koffer um Koffer aufs Band – Menschen in Neongelb, die sich an Flughäfen aufhalten. Die Kür: Das Gepäck so aufs Band knallen, dass es platzt.

Geschüttelt, nicht gelegt. Oder vielleicht doch? Bild: dpa

D as Internationale Olympische Komitee ist ja ständig darum bemüht, die Idee des antiken Wettstreits mit den Entwicklungen im Hier und Heute in Einklang zu halten. Ich möchte ihm deshalb eine Sportart ans Herz legen, von der die Weltöffentlichkeit bislang aus mir unverständlichen Gründen keinerlei Notiz genommen hat: den Kofferweitwurf.

Entwickelt hat sich dieser Sport in Flughäfen. Die Athleten sind zumeist Männer, die in neongelben Trainingsanzügen und mit Schallschutz auf den Ohren – ich nehme an, den brauchen sie für die Konzentration – Gepäckstücke aus Anhängern wuchten und sie aus möglichst großer Entfernung aufs Gepäckband schmeißen.

Die Fähigkeiten, die es braucht, um es bis an die Weltspitze zu schaffen, sind: Kraft in Armen und Schultern, Disziplin, Ausdauer sowie den Ehrgeiz, mindestens einmal pro Trainingsrunde einen Koffer mit solcher Wucht auf der Kunststoffbahn aufkommen zu lassen, dass er platzt. Dann weiß der Sportler: Gold bei Olympia ist keine Illusion, und er kann von Werbeverträgen und lebenslangem Ruhm träumen.

Es gibt nicht viele Möglichkeiten, den Athleten beim Üben zuzusehen. Umso dankbarer war ich, dass ich neulich am Flughafen vor der Passkontrolle warten musste. Durch die Glasscheibe sah ich, wie ein Mann mit Glatze (Luftwiderstand!) Koffer um Koffer in die Hand nahm und aus einer Höhe von einem Meter aufs Band pfefferte. Er hätte die Gepäckstücke auch einfach hinlegen können. Aber der Mann stand ganz offensichtlich im Training. Da müssen persönliche Bedürfnisse wie etwa, dass man seine Hosen, Socken und den Kulturbeutel nur ungern einzeln aufsammelt, eben zurückstehen.

taz am wochenende

Wie Greenpeace gegen Russland kämpft. Eine Reportage aus dem Innern des Umweltriesen lesen Sie in der taz.am wochenende vom 26./27. Oktober 2013 . Außerdem: Apple hatte versprochen, die Arbeitsbedingungen in China zu verbessern. Fabrikarbeiter und Arbeitsrechtler berichten, ob sich wirklich etwas getan hat. Und: Der Herbst eines Superstars - ein Portrait von Dirk Nowitzki. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Ich denke, die Olympischen Spiele 2020 in Tokio sind für ihn eine realistische Perspektive. Er sollte nur darauf achten, dass er seine Wettkampfkleidung im Handgepäck mit sich führt. Nicht, dass er am Ende noch nackt antreten muss.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Kai Schächtele
Journalist
Journalist, Buchautor, Moderator. Ärgert sich gern über Dinge, über die er sich gern lustig macht. Arbeitet außerdem als Dozent, weil man sich ja nicht immer nur ärgern kann, sondern auch den Jüngeren erklären muss, warum Journalismus immer noch der schönste Beruf von allen ist.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Mensch, der Mann hatte einfach mal Wut auf den, der da wiedermal in den nächsten 6 h eine 3/4 Tonne Kerosin in der Athmosphäre abfackelt.

    Umweltschützer undercover oder so.

    Gottes Wege sind unergründlich

  • 4
    4tehlulz

    was fällt den unterbezahlten arbeitskräften ein!!111

     

    ganz, ganz bitter, taz. aber man muss ja auch die neoliberale grüne klientel bedienen.

     

    im übrigen: wenn man keinen billigen rollkoffer hat, platzt auch nix.

  • AL
    Air Links

    Nicht werfen? Dann würdest heute immer noch am Band stehen und auf Deinen Koffer warten. Und ich, ich hätte längst die Kündigung auf dem Tisch, weil ich so lahmarschig gearbeitet habe. Weil das langsame und sorgfältige Handling der zumeist überfüllten Koffer meine Gelenke, Bänder und Sehnen ruiniert hat, könnte ich nur noch leichte Aushilfstätigkeiten annehmen. Der finanzielle Verlust wäre gar nicht mal so groß...

  • D
    ✡David✡

    Was zur Hölle?!

    Wenn Ich so einen beschissenen Job hätte und dann auch noch so einen Artikel vor die Nase bekäme, würde Ich nächstes Mal aber gedopt zur Arbeit kommen.

    Lass halt deinen Koffer zu Hause, wenn Du dir solche Sorgen um Ihn machst.

  • S
    Schlumpfmett

    Noch viel weniger beachtet ist die zweite Disziplin, unter Ausschluss der Öffentlichkeit meist in den Katakomben der Sportstätten ausgeübt: der reversive Wurf, also vom Band auf die Anhänger.

    Die Abgeschiedenheit dieser Liga führt jedoch heutzutage leider noch immer wieder zu nicht geahndeten Abseitsstellungen, beispielsweise wenn ein Sportgerät die Landezone verfehlt und unbeachtet hinter der Landezone zum Stillstand kommt. Sportstättenbedingt wird dies meist erst nach dem eigentlichen Wettkampf bemerkt.

    Hier hat sich etabliert, den Wurf für den Folgewettkampf zu werten. Er wird, mit kleiner Manipulation des Wettkampfprotokolls, einfach umgeschrieben. Der Athlet kann dabei zwar keine Medaille gewinnen, dem Sportwart (Kofferträger) obliegt lediglich die Aufgabe, dass Wurfgerät wenige Stunden später in der alternativen Sportgerätesammelstelle abzuholen, meist nur wenige hundert Kilometer entfernt.

    Es wurde allerdings auch schon von Fällen berichtet, in denen das Sportgerät doch noch der ureinst geplanten Landezone zugerechnet wird - dies meist mit einer Verzögerung von nur wenigen Wochen.