Kolumne Wutbürger: Yoga an der Supermarktkasse
Tief einatmen, tief ausatmen, wenn die EC-Karte so tut, als sei kein Geld mehr auf dem Konto. Das kommt jetzt öfter vor und führt direkt ins Nirvana.
D as Nirvana ist der Ort, an dem wir in vollendetem Frieden mit uns selbst leben. Nichts bringt uns mehr aus der Ruhe. Über nichts müssen wir uns noch ärgern. Für mich ist dieses Ziel deshalb so attraktiv wie eine Bettenburg in Benidorm. Wo käme ich hin, wenn es nichts mehr gäbe, worüber ich mich lustvoll in Rage tippen könnte?
Ich nehme es den deutschen Supermarktkassen deshalb besonders übel, dass sie uns bei jedem Bezahlvorgang mit EC-Karte der Seelenrettung ein Stück näher zu bringen versuchen. Das Nirvana erreicht nur, wer in der Lage ist, selbst im Moment größter Anspannung gelassen zu bleiben. Die Supermarktkasse ist seit einigen Monaten dafür ein besonderer Om-Gruppen-Übungsplatz: Andauernd akzeptiert das Lesegerät meine EC-Karte erst beim vierten Versuch.
In den ersten Wochen blickte ich mich noch nervös um, in der Sorge, jemand könnte mich beobachten und denken, mein Konto sei so leer wie der Geist eines buddhistischen Schweigemönchs. Dann fragte ich irgendwann eine Kassiererin, warum die Karte denn immer ausgerechnet beim vierten Mal akzeptiert werde. Und bekam zur Antwort, dass das neuerdings regelmäßig passiere. Warum, könne sie auch nicht erklären.
Seitdem stelle ich mich breitbeinig zum Yoga an der Supermarktkasse auf, bevor die Karte das erste Mal durch den Schlitz gezogen wird, atme anschließend tief ein und tief aus, tief ein und tief aus und lasse dabei im Geiste die Ingenieure von EC-Karten-Lesegeräten nacheinander über eine hundert Meter hohe Klippe ins Meer stürzen. Das kommt meinem Ideal vom Nirvana schon ziemlich nah.
„Was soll ich mich engagieren in Russland, ändern kann ich sowieso nichts“, sagt Olympia-Teilnehmer Maximilian Arndt. Viele Sportler sehen das wie er und schweigen zu Putins Politik. Welche Gründe sie haben und wer den Mund aufmacht, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 1./2. Februar 2014. Außerdem: Die EU-Staaten überlegen, wie sie in der Zentralafrikanischen Republik intervenieren können. Eine schnelle Eingreiftruppe hätten sie: die EU Battle Group trainiert seit fast zehn Jahren, eingesetzt wurde sie noch nie. Ein Besuch bei Europas vergessener Armee. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Natürlich habe ich versucht, der Ursache auf den Grund zu gehen. Ich rief bei der Pressestelle von VeriFone an, dem Hersteller des Teufelsgeräts H5000 aus meinem Supermarkt. Trotz mehrerer Anläufe gibt es bis heute keine Reaktion. Ich nehme an, eine Antwort erhalte ich erst beim vierten Versuch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja