piwik no script img

Kolumne WortklaubereiBedenklich wie ein Lämmerschwanz

Kolumne
von Josef Winkler

Manche Leute haben keine eingebaute Qualitätskontrolle für das, was sie daherreden. Auf Fußballkommentatoren trifft das besonders oft zu. Willkommen im Floskelland.

Da sitzt er, der kleine Franzose. Auf seinen vier Buchstaben. Im weiten Rund. Bild: dpa

W enn er's noch einmal sagt, schieße ich ins Radio. "Der kleine Franzose." Ich kanns nicht mehr hören. Noch einmal, und ich schieße ins Radio. Wie Elvis in den Fernseher. "Der kleine Franzose." Es ist Champions League und die Bayern spielen, und beim Rumoren in der Küche nebenher könnte man da doch recht entspannt am Radio zuhören … "Der kleine Franzose."

Ich weiß, er ist Sport-, schlimmer: Fußballreporter, und er kann wohl nicht anders. Darum ist auch klar, dass er es wieder sagen wird; man müsste drüber hinweghören. Aber es ist wie mit dem tropfenden Wasserhahn, wenn man nur noch darauf wartet, dass einem der nächste "plip" den allerletzten Nerv raubt, wenn man angestrengt hinhört, wo man eigentlich angestrengt weghören möchte, dann … "Der kleine Franzose!"

Der Reporter, nennen wir ihn HPP, ist ein alter Bekannter aus dem Radio und man ist gefasst auf seinen bieder-knautschigen, floskeldurchwirkten Redefluss. Der Reporter HPP ist einer von diesen Leuten, die – man kennt das im ungünstigsten Fall aus dem eigenen Umfeld – sich selbst nicht reden hören, die keine eingebaute Qualitätskontrolle haben für das, was sie daherreden (ich spreche vom Formalen; Inhalt ist eine andere Baustelle).

Bei manchen ist diese Kontrolle vor die Äußerung geschaltet, man hört ihnen gemeinhin gerne zu, wenige von ihnen sind Fußballreporter. Andere hören sich selbst beim Reden und haben die Fähigkeit – oder Klasse –, eine bereits ausgespuckte Torheit oder Floskel flugs zu relativieren oder korrigieren.

Ich habe den Exfinanzminister Hans Eichel immer ein Stück für voller genommen als andere Politiker, weil er im April 1999 nach seiner Wahlniederlage als hessischer Ministerpräsident gegen (brrrrrr) Roland Koch in ein Mikrofon sagte, man müsse als SPDler den Stimmenzuwachs der CDU "neidlos" - und hier hielt er inne - "oder auch neidvoll anerkennen".

Bild: privat
JOSEF WINKLER

35, lebt und arbeitet, was sein Nervenkostüm und Zeitbudget nicht unerheblich in Anspruch nimmt, in München und Palling. Hobbies: Zeichnen, Tiere, Musik, Nichtschwimmen.

Und dann gibt es jene, die einfach labern und die auch dann kein selbstkritischer Gedanke anficht, wenn ihre ganze Rede schon vollgesogen ist mit Floskeln, Allgemeinplätzen und zigmal benutzten Bildern. Das kann etwas regelrecht Zwanghaftes bekommen.

Der Fußballreporter HPP kann den Fußballer Franck Ribéry nicht erwähnen ohne den Zusatz "der kleine Franzose". Er kann auch nicht von einem "Unentschieden" sprechen, es ist immer ein "Remis". Und wenn's 0:0 ausgeht, war es ein "torloses Remis". Wenn der Fußballreporter HPP von Transfersummen redet, die für einen Spieler bezahlt wurden, dann hat IMMER jemand soundsoviel Geld "auf den Tisch des Hauses gelegt".

Der Fußballreporter HPP scheint das Wort "bezahlen" gar nicht mehr zu kennen, und wenn er früh vom Bäcker kommt, erzählt er seiner Frau, dass die Semmeln wieder teurer geworden sind und er jetzt 2,86 Euro auf den Tisch des Hauses gelegt hat.

Das Schlimme, besser: das Gute ist, ich hab gar nichts da, um in das Radio zu schießen. "Die Dreierkette wackelt bedenklich wie ein Lämmerschwanz", stellt HPP fest. Komisch. Ich hatte noch nie Bedenken beim Wackeln eines Lämmerschwanzes. Ich muss raus aus dieser Küche.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • J
    Jaffi

    Manchmal ist es jedoch auch lehrreich.

     

    Ich werde nie das Spiel Argentinien-Mexiko bei der WM 2006 vergessen. Es fand am 24. Juni statt und Lionel Messi wurde an diesem Tag 19 Jahre alt.

    So oft wie vom "Geburtstagskind" gesprochen wurde oder von "Messi, der übrigens heute Geburtstag hat" oder davon, dass "ein Sieg sicher das schönste Geburtstagsgeschenk für Messi" wäre, ist unvorstellbar.

    Ich werde nie vergessen, wie alt Messi 2006 wurde und daher immer wissen, wie alt er jetz ist.

  • BL
    Björn L

    So lange die taz nicht mit den Reportagen anfängt ist alles okay.

  • KP
    Kenny Powers

    Ich glaube es ist der Typ von SAT1 der nicht "Champions League" sagen kann.

     

    Ich könnte jedes mal ausrasten (das ist dann aller 5 Minuten) wenn dieser Moron von der

     

    KÖNIGSKLASSE

     

    spricht.

     

     

    aaaaahhhhhh!!!!!

     

     

    So jetzt geht's mir besser.

     

    Schöner Artikel.

  • UH
    Ulrich Hartmann

    Woran sich Herr Winkler stört, das ist immerhin eine Stilfigur, die bis in die Anfänge der europäischen Literatur zurückreicht: bei Homer heißt Odysseus auch immer "der listenreiche Odysseus", so wie Ribéry "der kleine Franzose".

  • L
    lunatic

    Am schlimmsten finde ich, wenn vom "Stockfehler" gesprochen wird. Was bitte hat ein Begriff aus dem Hockeysport mit Fußball zu tun? Aber wenn selbst Reporter, die einst mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurden, solchen Unsinn erzählen, dann sollte man spätestens den Ton abdrehen...

  • K
    Klassiker

    "So abgedroschen es auch klingen mag, aber diesem Spiel würde ein Tor gut tun."

  • EZ
    Edo Z.

    es fehlt noch "ausgerechnet ribery"! oder die "vogelwilde abwehr", und bei jedem gegentor fehlte "die zuordnung" und man kam nicht "in die zweikämpfe".

  • I
    Ilmenautaler

    Der Schlimmste ist Beckmann. Immer wieder dieses "Geht da noch was ??"

  • HK
    Horst Kaputnik

    Mein ewiger Favorit der nervigen Kommentatorenfloskeln:

    "Ausgerechnet (Name eines Spielers einsetzen, der gerade gegen den Ex-Klub oder nach langer Verletzungspause ein Tor geschossen hat)!"

  • S
    susi

    Danke. Ich kenne diesen HPP nicht - und das ist gut so. Hoppla, war das jetzt eine Floskel?

  • J
    JoHnny

    werter josef winkler,

    schön, daß die"kleine" taz das auch

    endlich merkt...

    mfg

  • J
    Jens

    "Jetzt kontern sie im eigenen Stadion!!"

  • S
    sigibold

    Hallo "Jupp Winkler"! nicht aufregen. Sportreporter sind meist nicht die Hellsten der Branche und die vom Fußball lagen eigentlich schon immer einige IQ-Punkte unter Normalnull.

    Wie sagt das Sprichtwort: Reden ist Silber. Schweigen ist Gold. Wenn es nur so wäre.... Sie reden leider halt oft nur Blech!

     

    sigibold

  • G
    gamesearcher

    aber solange die mannschaft

    "ins spiel gefunden"

    hat, ist doch alles in ordnung ....