Kolumne Wortklauberei: Bratpfannenkleid & Wahlkampfgetöse
Wie kann man Wochen wie diese aushalten, zwischen Topmodelterror und Groteskpolitiker Rösler? Mit Pressemitteilungen über Kochtopfmode.
A uweh, jetzt ist es wohl zu spät! Da stand „zur sofortigen Veröffentlichung“ bei dieser Pressemitteilungsmail, und jetzt ist es schon Wochen her, dass man sie mir zu treuen Händen schickte, in dem guten Glauben, ich würde dann auch meiner Verantwortung als Angehöriger der Informationsbranche nachkommen und Sie unverzüglich in Kenntnis setzen darüber, dass Eva Padberg Kleider aus Kochtöpfen trägt. Wie?
Ich weiß, jetzt ist das ein alter Hut, die Spatzen pfeifen es längst von den Dächern, dass Eva Padberg Kleider aus Kochtöpfen trägt. Aber ich wollte es jetzt der Vollständigkeit halber doch noch kommuniziert haben – ich zitiere: „Betr. Eva Padberg trägt Kleider aus Kochtöpfen. Sehr geehrte Damen und Herren, ein elfenhafter Dress aus Frittierkörben, eine mit Bratpfannen gesäumte Jacke, ein Minikleid mit Fransen aus Messern und Gabeln: In außergewöhnlichen Outfits wie diesen werden auch die Supermodels Eva Padberg (33) und Franziska Knuppe (38) nicht alle Tage auf den Laufsteg geschickt.“
Wortklauberei konnte weder Frau Padberg noch Frau Knuppe für ein Statement erreichen, aber wir gehen davon aus, dass beide Damen recht froh sind, dass ihnen das nicht alle Tage passiert.
Apropos Laufsteg: Haben Sie die neuen Plakate von „Germany’s next Topmodel“ gesehen, auf denen Heidi Klum aussieht wie Michael Jackson mit Push-Up-BH? Ich schlage ein soziales Experiment vor: Wo immer Sie in den nächsten Wochen mitbekommen, dass Freunde, Kollegen, Familienangehörige etc. Gespräche führen, die darauf schließen lassen, dass sie in ihrer mutmaßlich wertvollen Freizeit „Topmodel gucken“, dann gehen sie hin und fragen sie, ob ihnen vielleicht jemand ins Hirn geschissen habe.
Verstehen sie mich recht: Mir ist klar, dass so eine Fragestellung geeignet ist, Anstoß zu erregen, aber das kann zum einen ja auch mal ganz gesund sein. Und zum anderen finde ich es auch rein kognitionswissenschaftlich interessant: Kann man sich diese Jauche reinziehen, ohne dass einem ins Hirn geschissen wurde?
Entschuldigung, ich bin schon wieder so negativ. Und ich kann’s ja zugeben: Ich hatte die Mail mit Eva Padbergs Kochtopfkleidern gar nicht verschlampt, sondern für schlechte Zeiten aufgehoben. Damit wir ein bisschen was Leichtes haben, wenn mal die Gesamtthemenlage wieder so trist ist, dass mir zum Rest des Tagesgeschehens nur Gewaltfantasien und justiziable Verbalinjurien einfallen.
Und dann legt man sich zu Bett mit der Nachricht, dass Stuttgart 21 weitergebaut wird (klar!), und in der Früh ist im Radiowecker der Groteskpolitiker Philipp Rösler und hat auf die Frage nach Kritik an der Zusammengelogenheit des Armutsberichts der Bundesregierung nicht mehr zu sagen, als dass das „Wahlkampfgetöse“ sei. Und schon klingelt es und der prekär dreinschauende DHL-Bote hat für Leute aus dem Haus schon wieder drei Amazonpäckchen, die wir als Erdgeschossler natürlich gern ein paar Tage im Flur zwischenlagern.
Ich nehme mir vor, die Nachbarn bei Paketabholung zu fragen, ob ihnen vielleicht wer ins Hirn geschissen hat. Aber ich fürchte, ich werde mich nicht trauen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
BSW scheitert, Schwarz-Rot hat eine Mehrheit
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Bundestagswahl 2025
Mehr gewollt und links verloren
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option