Kolumne Wir retten die Welt: Wie der Zufall es so wollen könnte

Erst war es nur eine unglaubliche Begegnung an einem heißen Nachmittag. Dann hatte es auch etwas Tröstliches: Was alles so möglich wäre.

Blitz über Feldern

Weiß auch nicht so genau, wo er hinwill und was er anrichtet Foto: dpa

Ein brüllend heißer Samstagnachmittag. Ich klackerte mit meinem Rollkoffer durch die Seitenstraßen von Brühl, einem Städtchen zwischen Köln und Bonn. Mir kam eine Gruppe von ernsthaften Wanderern entgegen – und ich traute meinen Augen nicht: Es waren die „Klimapilger“ und „innen“ !

Zwei Dutzend AktivistInnen, die seit ein paar Jahren, vom Heiligen Geist getrieben, wochen- und monatelang zu den Klimakonferenzen pilgern, um dort zu demonstrieren. Letzten November war ich mit ihnen einen Tag durch die Lausitz marschiert und hatte über sie geschrieben. Und jetzt liefen sie mir im Rheinland bei 33 Grad im Schatten über den Weg. Großes Hallo.

Und großes Fragezeichen: Wie unwahrscheinlich war das denn? Ich bin alle paar Jahre in der Gegend, sie auch nur auf dem Durchmarsch vom Kirchentag in Dortmund nach Bonn. War das göttliche Fügung? Unglaublicher Zufall?

So etwas passiert dir vielleicht alle 30 bis 40 Jahre

Ein befreundeter Statistiker kam nach vielen intimen Fragen, wie weit ich am Tag so laufe, wie viele Leute ich kenne und wie oft ich mich an „ungewöhnlichen Orten“ (Brühl?) aufhalte, zum Ergebnis: Eine solche Begegnung hätte ich vielleicht so alle 30 bis 40 Jahre.

Kopfschütteln. Dann fiel mir ein, wie blind wir oft für irgendwelche Wahrscheinlichkeiten vertrauen. Hartnäckig ignorieren wir die Lebensgefahr im Autoverkehr oder beim Schwimmen im Gewitter. Das stetige Risiko eines globalen Börsencrashs blenden wir aus. Die reale Bedrohung durch tausende von Atomwaffen, die abschussbereit irgendwo rumliegen, haben wir komplett verdrängt. Entgegen aller Statistik heiraten in Deutschland jedes Jahr 800.000 Menschen.

Die Klimamodelle wiederum, auf die wir unsere Resthoffnung stützen, sagen voraus, dass wir unsere Ziele selbst bei großer Anstrengung nur mit 66-prozentiger Wahrscheinlichkeit erreichen. Würden Sie bei solchen Chancen in ein Flugzeug steigen? Also für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie immer noch ab und zu fliegen?

Andererseits ist es tröstlich: Wenn so ein Zufall passiert, was ist dann noch möglich? Könnte die Deutsche Bahn auch auf Nebenstrecken halbwegs pünktlich sein? Werden sich die Menschen weigern, Fleisch von gequälten Tieren zu kaufen? Könnten Hass-Trolle im Netz plötzlich Manieren und Menschenwürde lernen? Könnten Autobauer für Mobilität statt für Stau sorgen? Könnte die SPD wieder sexy werden? Und würde vielleicht sogar die CDUCSU mal Klimaschutz wirklich ernst nehmen?

Jetzt mal ganz ruhig. Ich sollte mir wohl nichts Unmögliches wünschen. Es würde ja schon reichen, wenn diese Regierung ihre eigenen Ziele bei der Rettung der Welt für mehr wahr und weniger scheinlich hielte.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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