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Kolumne Wir retten die WeltDer Kot der Köter

Manfred Kriener
Kolumne
von Manfred Kriener

Was ist schlimmer: Hundescheiße oder Hundescheiße-Plastikbeutel? Letztere landen häufiger in der Natur, zeigen Fotos auf der „The Poop Bag Map“.

Große Hunde, große Haufen. Foto: ap

W enn es um Hunde geht, verstehen die Deutschen nun wirklich keinen Spaß. Unterdrückte Gewaltfantasien brechen hervor wie Eiter aus der dreckigen Wunde: Man solle den Hundebesitzern den liegengelassenen Kot „in den Briefkastenschlitz drücken“, die Hundesteuer auf 5.000 Euro erhöhen und die Vierbeinerwindel unter Strafandrohung obligatorisch machen.

Während die Hundebesitzer ganz naturverbunden kontern, dass Hundekot „biologisch voll abbaubar“ und im Vergleich zu Autoabgasen, Pestizidorgien oder den Mordfeldzügen des IS doch „ein Klacks“ sei, weisen Hundehasser in einschlägigen Internetforen wiederum auf multiple mikrobielle Gefahren hin: Hundekot enthalte unter anderem auch Spulwürmer, Peitschenwürmer, Hakenwürmer, Fuchsbandwürmer.

Anlass des tierischen Beißkrampfs ist der Streit über eine DNA-Datenbank für Hunde, wie sie im Osten Londons ab Januar 2016 probeweise eingeführt wird. Man nimmt von jedem Tier eine Speichelprobe und kann so die Verursacher illegaler Kothäufchen per DNA-Analyse überführen und die Besitzer bei Wasser und Brot wegsperren. Die Kotanalyse kostet 80 Euro, sie wird dem Halter zuzüglich einer saftigen Geldbuße in Rechnung gestellt.

Die Stadt macht sogar noch ein Geschäft mit dem Geschäft des Hundes. Irgendwie muss der neue Kindergarten ja auch bezahlt werden. Außerdem werden Arbeitsplätze geschaffen – einer sammelt die Bröckchen, ein zweiter analysiert den genetischen „Fingerabdruck“.

Paranoiageplagte Hundebesitzer

Wie immer bei Datenbanken gibt es aber Probleme: Kann man den Besitzer zur Speichelprobe des Hundes zwingen? Was sagt Karlsruhe dazu? Wie groß ist das Risiko fehlerhafter Befunde? Was geschieht mit ortsfremden Hunden, die zu Besuch kommen und illegal defäkieren. Brauchen wir nicht bundesweite, ja EU-weite Datenbanken? Und wenn jetzt der Hund Luigi über ein Häufchen der Hündin Sally uriniert?

Wessen DNA wird dann ermittelt? Natürlich ahnt der paranoiageplagte Hundebesitzer schon, dass in Wahrheit die Daten des Hundehalters und nicht die von Schnuffi gespeichert werden und dass die Hundedatenbank nur ein weiterer Mosaikstein der Totalüberwachung ist. Keine Frage!

Was aber viel zu wenig beachtet wird: Nicht nur der Hundekot, auch die Hundekotpäckchen sind längst zum Problem geworden. Auf www.poopmap.de sehen wir, wo überall Beutel illegal entsorgt werden. Weil Hundebesitzer den gefüllten Gassibeutel nicht stundenlang in der Hosentasche herumtragen können, wird dieser irgendwann – sofern kein Abfallkorb bereitsteht – als Fehlwurf in die Natur entsorgt.

5200 Fotos von Hundekot-Missetaten

5.200 Fotos hat ein Hamburger Student dazu auf poopmap.de gesammelt. Er informiert uns darüber, dass jährlich 200.000.000 Hundekotbeutel von deutschen Kommunen ausgegeben werden, von denen 97 Prozent aus stinknormalem Plastik bestehen, somit „über Hunderte von Jahren ein Umweltproblem darstellen“.

Und: Die Beutel würden viel häufiger als Einkaufstüten in Grünanlagen und Gewässern landen. Eine interaktive Hundekotbeutelkarte zeigt, in welchem Hamburger Stadtteil wie viele Beutel weggeworfen werden. Hey Öko-Institut, was ist jetzt eigentlich schlimmer: Hundekot oder Hundekotbeutel?

Zurück zur DNA-Analyse. Die Chance auf eine genetisch bundesweite Hunderfassung ist eher gering. Ulrich Mohn vom Deutschen Städte- und Gemeindebund findet, die Datenbank sei zu aufwendig. Aber auf einzelne Pilotprojekte sei er gespannt. Wir sind es auch. Und erinnern schon mal daran, dass Hundehäufchen nur die Spitze des Eisbergs sind. Auch von Tauben, Spatzen und Katzen brauchen wir dringend Datenbanken. Vom Kuhmist auf Feldwegen gar nicht zu reden.

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Manfred Kriener
Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Umweltjournalist und Autor in Berlin. Themenschwerpunkte: Klima, Umwelt, Landwirtschaft sowie Essen & Trinken. Kriener war elf Jahre lang taz-Ökologieredakteur, danach Gründungschefredakteur des Slow-Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei.. Zuletzt erschienen: "Leckerland ist abgebrannt - Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur". Das Buch schaffte es in die Spiegel-Bestsellerliste und wurde von Umweltministerin Svenja Schulze in der taz vorgestellt. Kriener arbeitet im Journalistenbüro www.textetage.com in Kreuzberg.
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15 Kommentare

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  • Hunde haben in der urbanen Gesellschaft keine Funktion mehr und können dort auch nicht artgerecht gehalten werden. Hundehaltung sollte daher in Städten nicht erlaubt sein. Außerdem gehören Kampfhunderassen verboten.

  • Puh, zum Glück nehme ich nur die biologisch abbaubaren Tütchen zum kleinen Preis, welche im Wald landen und sich dort nach einem Jahr zersetzen.

     

    Oder sollte ich mir dabei aus irgendeinem Grund Gedanken machen? Die Frage habe ich mir schon häufiger gestellt, insofern ist sie durchaus ernst gemeint.

  • Ich bezweifle angesichts der täglich erlebten Realität, dass Kotbeutel aus biologisch abbaubaren Stoffen eine Problemlösung bringen, denn z.B. in einem zuvor mit erheblichen Mitteln aufwändig renaturiertem Bachlauf (wie in Mönchengladbach der Bungtbach) würden auch massenhaft Kartoffelstärkebeuten den selben Schaden verursachen wie es jetzt die Kunststoffbeutel tun.

  • Es geht nichts an einem Bewusstseinswandel über Hundehaltung vorbei. Wir wissen ja, dass wir durch die seelischen Belastungen, die der Neoliberalismus uns auferlegt, starken psychischen Spannungen ausgesetzt sind. Allerdings ist und bleibt es ein Irrweg, Hunde und andere Haustiere als Krücken für den inneren Ausgleich heranzuziehen. Die Tiere leiden insbesondere in der Großstadt, die artgerechte Haltung definitiv nicht ermöglicht. meistens werden die Halter_innen auch nicht wirklich glücklicher, wie deren überwiegend patzige Aggressivität oft zeigt und die Mitmenschen, die es nicht so toll finden, von Hundekothaufen, Gebell und feucht-sabberigen Aufforderungen zum "Spielen" behelligt zu werden, leiden ebenfalls.

     

    Ich weiß nicht, ob der ebenfalls neoliberal bedingte Sparzwang der Städte und Gemeinden, der dazu führte, dass überall in City und Grünanlagen die Mülleimer und Papierkörbe entfernt wurden, weil angeblich kein Geld mehr für die Entleerung vorhanden ist, dazu führte, dass die Hundekotbeutel ins nächste Gebüsch, in Gewässer oder die Schlitze von Abwassergullys, wo sie längerfristig Verstopfungen bedingen, landen, oder ob die Hundehalter einfach nur eine innerlich antisoziale Haltung haben, bei der die Außenwelt der Nicht-Hundehalter emotional ausgegrenzt wird.

     

    Da sämtliche Appelle, egal ob es um Leinenzwang für große Hunde oder das allgegenwärtige Kothaufenproblem geht, bislang nicht fruchten kann eine Lösung nur darin bestehen, möglichst viele eingezäunte Hundeauslaufareale zu schaffen, in denen weder die Natur, noch andere Menschen von den Hunden belästigt werden. Durch den Flächenfraß in den Städten sind geeignete Gebiete zwar knapp, aber noch gibt es überall Industriebrachen oder Bauerwartungsgelände, die eingezäunt und als zwingend vorgeschriebene Auslauffläche ausgewiesen werden kann. In Großbritannien werden für "Hundehaufenvergehen" Geldstrafen von £500 fällig, die auch effektiv beigetrieben werden.

    • @Khaled Chaabouté:

      Völlig richtig. In der vorurbanen Zivilisation hatte der Hund noch arttypische Funktionen, die ihn und Mensch zusammenbrachten. In ländlichen Gebieten erfüllt der Hund mitunter heute noch ähnliche Funktionen, nicht aber in den Städten. Er wird in der Tat als Seelenbetäuber mißbraucht. Der Hund ist nicht mehr zeitgemäß und der urbane Mensch kann ihm keine artgemäße Existenz verschaffen. Im Interesse der Hunde ist daher urbane Hundehaltung zu verbieten.

    • @Khaled Chaabouté:

      Zitat : "in denen weder die Natur, noch andere Menschen von den Hunden belästigt werden."

       

      Der Witz ist gut, soweit ich informiert bin, kommen Hunde nicht vom Mars, sondern sind (wie Menschen) auch ein Teil der Natur. Aber klar, einzäunen und wegsperren - am besten führen wir solche Maßnahmen für Menschen auch ein. Dann kann die Natur sich ganz doll erholen.

       

      Was die "patzige Aggressivität" angeht - so wie man in den Wald ruft, so schallt es wieder raus!

       

      Argumentativ zuzstimmen kann ich lediglich der Ausage über die fehlenden Mülleimer. Bei uns in der Stadt gibt es objektiv gesehen sogar mehr Briefkästen als Mülleimer. Ein Bekannter arbeit bei der Stadt, als ich ihn bezüglich der Mülleimer ansprach, sagte er daß die Leiter der Resorts der Meinung wären dass (im Ernst) "Mülleimer würden Müll anziehen, und seien deswegen sehr sparsam einzusetzen."

    • @Khaled Chaabouté:

      Hunde der Großstadt, ein produkt des Neoliberalismus. Darauf muss man erst mal kommen.

      • @Demokrat:

        Nicht die Hunde sind das Problem sondern die seelischen Belastungen des Neoliberalismus und damit ist dann auch der Kapitalismus verantwortlich für die herumliegenden Hundehaufen.

         

        Entsprechend ist der Vorschlag von Khaled Chaabouté "Hundeauslaufareale" einzuführen in dem sich die Hundehalter und ihre Kackköter einzufinden haben auch nur eine Übergangslösung.

        Ziel muß natürlich der Sozialismus sein, da es dann diese Hundehaufenvergehen - mangels Hunden und mangels seelischer Belastungen durch den Neoliberalismus - nicht mehr gibt.

         

        Jedenfalls können wir uns denken wie Leute vom Schlage von Khaled Chaabouté mit Leuten mit einer "eine innerlich antisozialen Haltung" gewöhnlich umzugehen pflegen (Kugel und so).

         

        Das Problem ist ein Grundsatzproblem und damit weit ernster als es der Autor vermutet.

  • 2G
    23879 (Profil gelöscht)

    "wie Eiter aus der dreckigen Wunde", "Hundehasser"

     

    Der Autor sollte sich dringend befleißigen, einen neutraleren Standpunkt einzunehmen. Anderenfalls möge man diesen Artikel bitte als Kommentar kennzeichnen. Seriöser Journalismus geht anders.

    • @23879 (Profil gelöscht):

      Danke Hegemon, ich habe auch nicht verstanden, was an diesem Kommentar eine neutrale Berichterstattung sein soll.

    • @23879 (Profil gelöscht):

      Stimme zu!

       

      Wirklich problematisch ist das ganze auch nur in sehr urbanen Gebieten. Woanders ist es für gewöhnlich kein Problem, dem Hund beizubringen, sein Geschäft auf einem begrasten Bereich zu hinterlassen, wo es keinen stört, Liegewiesen natürlich ausgenommen. Alle klimabewussten, umweltschützenden Hundehalter sollten sich auch mal vor Augen halten, dass die gerade in Großstädten keinesfalls als artgerecht zu bezeichnende Tierhaltung nebenbei eine CO2-Bilanz erzeugt, die je nach Größe durchaus die des Automobils übersteigen kann.

       

      Die Leserartikel sind ja passenderweise mit "Leserkommentare" überschrieben ;-)

  • wie wärs mit beiologisch abbaubaren Säckchen aus Kartoffelstärke oder etwas stärkeren Papiertütchen mit Wachsbeschichtung?

    • @babakuk:

      "wie wärs mit beiologisch abbaubaren Säckchen aus Kartoffelstärke oder etwas stärkeren Papiertütchen mit Wachsbeschichtung?"

      Ääh, könnte man die Kacke dann nicht gleich so liegen lassen? Warum noch was drumrumwickeln?

    • @babakuk:

      Jute statt Plastik !

      • @jhwh:

        Jute muss auch erstmal angebaut werden und bedeutet evtl mehr Rohstoffverwendung. Aber klar, warum nicht. Es sollte grundsätzlich über Alternativen nachgedacht werden und nicht nur das einfachste aber schädlichste Material verwendet werden