Kolumne Wir retten die Welt: Militärmurks? Ja bitte!
Turnschuhe, Kinderspielzeug oder auch Handys sind schnell im Eimer. Aber warum sind gerade Waffen made in Germany so unbegrenzt haltbar?

Marder, wollt Ihr ewig leben? Bild: reuters
Mein orthopädischer Schuhmacher hörte gar nicht mehr auf zu schimpfen: „Unglaublich!“, rief er und hielt meinen teuren Joggingschuh in die Höhe. „Die Dinger werden immer teurer und immer schlechter!“ 130 Euro hatte das bisschen Gummi und Kunststoff gekostet, und nach nicht mal einem Jahr war es Schrott. Für den Experten ist klar: Die Restlaufzeit von Joggingschuhen wird immer kürzer.
Das verletzt. Nicht nur die Läufer, sondern grundsätzlich die Idee einer nachhaltigen Wirtschaft. Produkte werden so gebaut, dass sie schneller als nötig kaputtgehen, damit wir mehr davon kaufen. Jeder kennt das: Am Handy schwächeln die Tasten, auch wenn es noch gut telefoniert. Der Drucker gibt den Geist auf, weil ihm ein böser implantierter Chip nach der 938.539. Kopie Schluss zu machen befiehlt. 80 Prozent des Kinderspielzeugs ist nach meinen Erfahrungen so konstruiert, dass es den nächsten Geburtstag des Kindes nicht erlebt. Das Ganze heißt „geplante Obsoleszenz“ und kostet die Deutschen pro Jahr geschätzte 100 Milliarden Euro an Mehrausgaben.
So weit, so murks. Auf echte deutsche Wertarbeit verstehen sich offenbar nur noch die Kollegen von Heckler&Koch oder Rheinmetall. Denn Waffen made in Germany sind so nachhaltig, dass sie sich in der ganzen Welt höchster Wertschätzung erfreuen. Vor allem auch im Nordirak, wohin die Bundesregierung nun Waffen liefern will, um kaum bekannten kurdischen Kriegern gegen die Terrorbande IS den Rücken zu stärken. Das Risiko ist groß, dass diese Waffen später „in falsche Hände geraten“, wie es heißt.
Offenbar denkt beim Militär niemand an geplante Obsoleszenz. Da geht Qualität noch vor Quantität, und die Produkte halten ewig oder zumindest bis zum nächsten Krieg. Und das in einem Land, dessen Panzer jahrzehntelang nie verbraucht wurden. Wo der größte Feind nicht im Osten, sondern im Rosten gesehen wurde.
Wo ist das Kriegsgerät mit begrenzter Haltbarkeit?
Wo ist eigentlich der moderne Konsumkapitalismus, wenn man ihn mal braucht? Es kann doch nicht so schwer sein, Kriegsgerät mit begrenzter Haltbarkeit zu konstruieren. Die Haubitze könnte doch nach 3.500 Schuss erst mal klemmen. Nach zwei Jahren müsste eigentlich die Farbenkombination beim Tarnanzug total out sein. Eine Sollbruchstelle am Abzug der Pistole würde gleichzeitig Menschenleben und die Konjunktur retten. Marder, wollt ihr ewig leben? Und warum können „intelligente“ Waffen nicht so smart sein, dass ihr Pulver plötzlich nass wird, wenn es damit gegen Zivilisten geht? Vielleicht, weil die Welt nicht so einfach ist?
Die Marktwirtschaft begriffen hat anscheinend nur der Konzern MBDA, der die „Milan“-Raketen baut, die jetzt an Kurden gehen sollen. Bei den Geräten laufe „das Haltbarkeitsdatum bald ab“, heißt es aus Regierungskreisen. Na bitte, geht doch! Ohne TÜV-Siegel feuert bestimmt nicht mal der schlimmste Warlord diese Dinger ab.
Leser*innenkommentare
738 (Profil gelöscht)
Gast
Der gute Herr Pötter hat gut reden, er sitzt im Warmen und Trockenen, kassiert eine fürstliche Entlohnung und fragt sich warum Waffen so haltbar sind. Seine einzige Sorge ist, ob das vegane Essen in der Cafeteria noch nicht aus ist. Der gemeine Soldat ist dagegen froh, wenn die Waffe nicht klemmt oder die Panzerung sich auflöst. Dummerweise hängt sein Leben davon ab.
friedjoch
@738 (Profil gelöscht) Ja, es ist ein Höllenjob aber einer muss ihn ja machen, ne?
uli moll
tsss ... Stardighter schon vergessen? Den Einweg-Abfangjäger der alten BRD?