Kolumne Wir retten die Welt: Nur die Cebit hört mein Seufzen
In der „digitalen Transformation“ geht jede Verantwortlichkeit flöten. Und Vodafone taugt nicht mal zu einem ordentlichen Feindbild.
U nbedingt notwendig: Die Begriffe „Sisyphos“, „kafkaesk“ und „dunklen Mächten ausgeliefert“. Sie müssen in allen Texten verwendet werden, die von persönlichen Erfahrungen mit den Anbietern von Telekommunikationsdienstleistungen handeln. Das hat gute Gründe.
Alles begann damit, dass wir zu Hause schnelleres Internet brauchten. Also, nicht wirklich brauchten, aber wollten. Also, nicht wirklich wollten, aber nun ja. Es tut nichts zur Sache, über welche Firma wir hier reden, weil alle gleich doof sind. Nur so viel: Sie fängt mit V an und hört mit odafone auf.
Schnelles Internet, kein Problem. Am 4. März sollte umgeschaltet werden und – hurra ! – „Sie brauchen kein neues Gerät für Ihren Anschluss“, schrieb man uns. Doch am 4. März waren Internet und Telefon tot. Ich rief den Kundenservice an, der sagte: „Natürlich brauchen Sie ein neues Gerät. Was haben die Kollegen denn da geschrieben?“
Tja. Also doch eine neue Easybox. Das Problem: So eine bekommt man nicht kurzfristig. Die beauftragte Firma kam mit dem Ausliefern nicht nach, im Shop hat man uns auch keine gegeben. „Wir bitten um Ihre Geduld. Tut uns leid“, sagten die freundlichen Mitarbeiter der Hotlines, die wir anriefen. Tagelang. Wochenlang. Nicht schön für jemanden wie mich, der von zu Hause aus arbeitet.
Dann wurde zumindest mein Handy freigeschaltet, sodass ich mit einem Hotspot ins Netz kam. Meine Tochter über ihr Smartphone leider nicht. Und auch unser zweiter Laptop blieb ohne Verbindung.
Mit dem Handy in die USA telefonieren
Nach einer Woche erreichte sie uns endlich: die Easybox. Den ganzen Nachmittag versuchte ich, sie zu installieren, die Serviceline am Ohr. Aber nichts zu machen – die Box war kaputt. Ich telefonierte mit meinem Handy in die USA, weil die Flatrate unseres Festnetzes auch nicht funktionierte, und hoffe immer noch darauf, dass uns Vodafone die Kosten nicht in Rechnung stellt.
Wegen meiner unverschuldeten Isolation hätte ich fast die Cebit in Hannover verpasst. Als ich dann doch mal wieder online war, sah ich, dass die Veranstalter meine Probleme als „Markttrends“ aufgenommen hatten: „Big Data“. Klar, die Probleme kamen erst mit dem schnellen Internet. Und ohne mein „Mobile“ wäre gar nichts gegangen. Noch interessanter sind aber: „Social Business“ und „digitale Transformation“.
Denn die Unternehmen sind durch Verlagern und Verschlanken völlig unbegreifbar und ungreifbar geworden. Das „Social Business“ hat alle Kundenkontakte in Callcenter verlagert, wo arme Lohnsklaven sitzen, die nichts tun können, außer zu wiederholen: „Das tut mir leid, dafür ist eine andere Firma zuständig.“
Kann man diese Fremdfirma irgendwie erreichen? Nö. Nicht mal den Auslieferer kann man anrufen, um einen Termin zu vereinbaren, zu dem man zu Hause das Paket in die Hand nimmt. So sieht organisierte Verantwortungslosigkeit aus. (Hier können Sie jetzt den Begriff „kafkaesk“ einfügen.)
Liberalisierung von staatlichen Monopolen
Vor Jahren haben wir in der taz die Vor- und Nachteile der Liberalisierung von staatlichen Monopolen diskutiert. Wir dachten damals: Schlecht beim Verkehr (mehr Flüge durch Billiganbieter), schlecht bei der Energie (wir hatten keine Ahnung von der Revolution durch das EEG), aber gut bei der Telekom (niedrigere Preise, kaum Auswirkungen auf Umwelt und Soziales).
Natürlich ist es schön, nicht mehr einen Wochenlohn für eine Stunde Telefonat nach Übersee zu bezahlen. Aber bei der Deutschen Bundespost saßen Technik, Auslieferung, Wartung und Meckerzentrale noch unter einem Dach und wurden nicht per Callcenter aus Kuala Lumpur zugeschaltet. Vielleicht war es nicht besser. Aber der Feind hatte wenigstens ein Gesicht.
Nur die Cebit hörte mein Seufzen. Sie feierte auch noch „das Internet der Dinge“. Darauf warten wir jetzt seit zwei Wochen. Dass morgen zwischen 12 und 13 Uhr wie versprochen jemand klingelt und endlich das verdammte Ding aus dem Internet bringt.
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