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Kolumne Wechseljahr 2008Das Wunder des Erfolgs

Wechseljahr 2008 (24): Wie fühlt sich Amerika? Dagmar Herzog über die Verfasstheit einer Changing Nation.

In Kalifornien stehen die Menschen auf der Straße Schlange, um ihr Geld vom Konto zu räumen, bevor die Bank kollabiert. Große Banken in Washington und Ohio fühlen sich verpflichtet, öffentlich bekannt zu geben, dass sie "solide" und zahlungsfähig sind. Investitionsexperten in New York reden von einer neuen "großen Depression", vergleichbar mit der Depression der 1930er-Jahre. Allgemein sind Amerikaner in diesen Tagen panisch wegen der Wirtschaft.

Das sind schlechte Nachrichten für alle Amerikaner. Aber es sind besonders schlechte Nachrichten für die republikanische Partei. Sie ist seit fast acht Jahren an der Regierung. Und wem könnte sie nun für die gegenwärtige Misere die Schuld geben?

Eine Strategie ist die des früheren Senator Phil Gramm aus Texas, eines der ehemals wichtigsten Berater von John McCain. Er erklärte, es gebe keine wirkliche Rezession, sondern nur eine "im Kopf". Und dass Amerika "ein Land der Jammerer" sei. Diese Taktik ging angesichts rasant steigender Preise, Hypothekenkrise und quälender Arbeitsunsicherheit nicht sonderlich gut auf - und McCain distanzierte sich so rasch wie möglich von ihm.

Andererseits: Als er vor kurzem gefragt wurde, welcher Autor ihn am meisten beeindrucke, antwortete John McCain spontan: "Joel Osteen. Er ist inspirierend." Wer ist dieser Autor? Joel Osteen ist Pastor der allergrößten Kirche der USA mit 45.000 sonntäglichen Besuchern. Osteens Bücher "Your Best Life Now" (Wie Du Dein Leben zum Besseren wenden kannst) und "Become a Better You" (Ein Besseres Du Werden) verkaufen sich in Millionenhöhe. 18 Millionen Zuschauer schauen regelmäßig seine Fernsehgottesdienste und machen sie zu den meistgesehenen in der gesamten US-Medienlandschaft. Osteen gehört zu dem Zweig der religiösen Rechten, der das "Wohlstandsevangelium" verkündet. Er sagt, dass Gott Menschen hilft, finanziell erfolgreich zu werden und ihr "volles Potenzial zu entwickeln". In endlosen Variationen rät er, dass sich Erfolg nur einstellen wird, wenn man sein "negatives Denken" überwindet. An jedem Tag, an dem das Wunder des Erfolgs ausbleibt, soll man trotzdem Gott in der optimistischen Zuversicht danken, dass man dem Mirakel wenigstens einen Tag näher gekommen ist.

Was Osteen bietet, das ist eine Möglichkeit, mit dem schreiendsten Widerspruch der amerikanischen Kultur umzugehen - mit dem Konflikt zwischen einer traditionsreichen Überzeugung, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist und die Verantwortung für seine eigenen Niederlagen trägt und der eigentlichen, krassen Wirklichkeit, in der die Wirtschaft vollkommen ungerecht strukturiert ist und desaströs gelenkt wird. Wie viele andere in der religiösen Rechten predigt Osteen eine Mischung aus Magie und Psychotherapie.

McCains spontane Antwort ist bezeichnend - in doppelter Hinsicht. McCain weiß, dass er bei Evangelikalen mit großem Misstrauen gesehen wird, und tut nun sein Bestes, sich bei ihnen anzubiedern. Aber noch wichtiger: Er gibt seiner Fantasie Ausdruck, dass Amerikaner den Republikanern verzeihen werden, die täglichen Niederlagen einstecken werden - und doch noch im November für ihn stimmen.

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