Kolumne Was bisher geschah: Kunst beim Warten
Bei der Berlinale wird die Stadt zu einer riesigen Lounge. Die Festivalpartner präsentieren sich mit fast täglichen Parties. Auch Johannes Brandrup war da.
W ährend der Berlinale ist ja die ganze Stadt eine Lounge. Am Potsdamer Platz, im Zentrum des Geschehens also, präsentieren sich etwa die Festivalpartner ZDF und BMW den akkreditierten Fachbesuchern, zu anderen Sponsoren und sonstigen Trittbrettfahrern ist der Weg dagegen weiter.
Der Autohersteller Lancia etwa hat seine Zelte im Quartier 210 an der Friedrichstraße aufgeschlagen und feiert dort fast täglich eine Party. Am Dienstag war der Bundesverband Regie zu Gast und am Mittwoch der Schauspieler Johannes Brandrup ("Alarm für Cobra 11", "Böseckendorf") mit dem von ihm gegründeten Set-Hacking-Wettbewerb.
"Set Hacking?" - eine Frage, die nicht nur in den Gesichtern mancher Partygäste zu lesen stand, sondern auch in den Comicstrips auf den Flachbildschirmen an der Wand. Um es kurz zu machen: Set Hacking ist ein Aufruf an Schauspieler, die Wartezeit am Set damit zu überbrücken, dass sie einen kleinen "Film beim Film" improvisieren und den Clip dann bei Brandrups Wettbewerb einreichen. "Make art while you wait" - eine schöne Idee, denn die Schauspieleraussagen, dass man letztlich nicht fürs Spielen, sondern fürs Warten bezahlt wird, sind ja Legion, sie werden so unterschiedlichen Mimen wie Michael Caine und Dieter Pfaff zugeschrieben.
DAVID DENK ist Medienredakteur der taz.
Als Juror hat Brandrup den ägyptischen Weltstar Omar Sharif gewonnen, der schon 2009 den italienischen Schauspieler Maurizio Marchetti für seine Rezitationen von Erich-Kästner- und Cesare-Zarratini-Gedichten auszeichnete. Das Jurytreffen mit ihm in einer Pariser Hotelsuite läuft als Videosequenz im Wechsel mit den Comicstrips und kurzen Set-Hacking-Ausschnitten auf den Wandmonitoren. Kennen gelernt haben sich Brandrup und Sharif - wie sonst - beim Warten. Zusammen haben sie 2005 den Film "Petrus - die wahre Geschichte" gedreht - Sharif in der Titelrolle und Brandrup als Jesus am Kreuz. Der Sohn Gottes und sein treuster Jünger - da kommt man sich zwangsläufig näher.
Ob Brandrup bei den anwesenden Kollegen - gesichtet wurden unter anderem Hansa Czypionka, Dieter Landuris, Nic Romm, Rike Schmid und Liv Lisa Fries - brachliegendes filmerisches Talent geweckt hat, wird die mit der Party am Mittwochabend gestartete zweite Set-Hacking-Runde zeigen. Vielleicht möchte ja auch ein Bundestagsabgeordneter die Idee adaptieren und einen Wettbewerb mit den schönsten Kritzeleien der Volksvertreter aus öden Plenar- und Ausschusssitzungen ausrufen. Könnte auch lustig werden.
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