Kolumne Vuvuzela 6: Immer dieses Nööööööööl!
Erst Hetz-Berichte über Südafrika, dann Genöle über schlechtes Wetter, zu wenig Zuschauer und schwache Stürmer. Doch der einzige Grund zum Nölen ist das Nöl-Nöl-Fernsehen.
B ravo, Deutschland! Unsere Zauberjungs spielen so südländisch wie nie, verzaubern die Welt. Auch Deutschland wird immer südländischer: Plätze, Biergärten, Kneipen – überall Leinwände, Groß-Leinwände und Ganz-Groß-Leinwände, alle sind draußen, gucken und fiebern zusammen, friedlich, freundlich, feierlich – Riesen-Party!
Aber: Da geht mehr! (Noch) sind die Public-Viewing-Plätze nicht voll gefüllt. Jetzt fragen alle: Ist das Mies-Macher-TV schuld?
Denn fest steht: An der weltmeisterlichsten Weltmeisterschaft der Welt kann es nicht liegen, dass die Party (noch) nicht überschäumt: Knackige US-Boys vernaschen Tommy-Trottel, süße Nokos halten Brasi-Bräsigs (fast) stand, Kiwis und Slowis haben zusammen Spaß, Elfen-Didi (32) und die elf Elfen aus der Elfenbeinküste sowieso.
Deniz Yücel ist Redakteur im taz WM-Team.
Aber das Event-Fernsehen findet alles langweilig. Keine Freude mit den Kleinen, kein Respekt, nur blöde Sprüche: "Die sind keine Laufkundschaft mehr." Auch sonst nur schlechte Laune: Erst Hetz-Berichte über Südafrika, dann Genöle über Vuvuzelas, schlechtes Wetter, zu wenig Zuschauer, schwache Torhüter, schwache Stürmer. Doch die Wahrheit ist: Der einzige Grund zum Nölen ist das Nöl-Nöl-Fernsehen.
Am schlimmsten wieder: Der Hitler-Sender ZDF mit Katrin Müller-Hohenstein (44, "innerer Reichsparteitag"), Béla Réthy (53, "Sturmführer") und Oliver Schmidt (38, "Belgien hat Probleme"). Am besten noch RTL: Moderiert hitlerfrei, bringt danach Super-Recherche-Infos über Spieler-Frauen.
Gut, die WM ist auch die Zeit des Miesmachens, Scheiße-Findens, Andere-Probleme-für wichtiger-Haltens und Überall-Reichsparteitag-Sehens. Und, ganz ehrlich: Mit ein paar Miesmachern macht das Super-Finden mehr Spaß. Aber: Warum gehen die nicht ins Mit- und Miesmach-Medium Internet? Warum müssen wir die im Fernsehen ertragen?
Genug genölt. Auf zum Public Viewing!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste