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Kolumne VollbartSchöne Stadt, schöne Körper

Enrico Ippolito
Kolumne
von Enrico Ippolito

Ich kann nicht mal am Hermannplatz vorbeilaufen, ohne idiotische Bemerkungen zu hören, meistens von Menschen mit Flip-Flops.

Das ham wer gerne: Herkommen, einen auf Berlin machen und nur das Berghain kennen Bild: dpa

N achtzug Paris–Berlin. Ein Umzug nach Deutschland. Vollgepackt bis oben hin. Schweiß überall.

Wegfahren hilft, um zu merken, wie schön Berlin eigentlich ist. Klar, es gehört mittlerweile zum guten Ton, sich ständig über die Stadt zu beschweren. Zu dreckig, zu prätentiös, zu selbstverliebt.

Aber manche Konversationen kotzen mich ernsthaft an, und ich will sie auch nicht mehr führen. Er: „Ich liebe Berlin. War da erst vor zwei Wochen und habe drei Tage im Berghain gefeiert.“ Ich: „Und hast du sonst noch was gesehen?“ Er: „Nein, aber das Berghain ist halt geil.“ Alles ist geil, wenn du Idiot dich mit Drogen vollpumpst, denke ich. Ich lächle ihn an und sage: „Geh doch nächstes Mal nach dem Berghain ins Museum, die gibt es auch in der Stadt.“ Bisschen Kulturerziehung schadet ja nie.

Im Zug ist es Nacht. L. und ich haben unsere Kisten verstaut, dort, wo die Zuggäste ihre Fahrräder befestigen können. Sofort kommt ein Paar und macht uns auf seine Fahrradmitnahmereservierung aufmerksam. Natürlich sind alle anderen Halter frei, aber reserviert ist reserviert, und Nummer ist Nummer. Natürlich sehen alle, wie beladen L. und ich sind, helfen will uns aber keiner – außer zwei jungen Mexikanern, die gerade ebenfalls auf dem Weg nach Berlin sind. Interessanterweise helfen uns die ganze Zeit auf unserer Reise nur Ausländer.

16 Stunden später. Wir sind in Berlin. Der Busfahrer motzt wegen des Gepäcks, der Abgeordnetenhausmitarbeiter macht keinen Platz im Bus, obwohl noch mindestens 20 Plätze frei sind. Ach Berlin, ich mag dich. Ich bin zu Hause.

Bild: kathrin windhorst
Enrico Ippolito

ist Redakteur bei taz2/medien und taz.am wochenende. Er twittert als @metamicio.

Kaum angekommen, treffe ich mich mit F. und B. zur obligaten Apfelschorle herb am Kanal. B. schaut an mir runter und sagt: „Du hast geschwollene Füße“. Ich schau an ihr hoch.

Sie hat recht. Seit gestern fühle ich mich deshalb auch wie eine dicke, schwangere Frau. F. sagt: „Du wirst ein guter Vater.“ Ich? Vater? Ich kommentiere das mal besser nicht.

Gut, jetzt trage ich kein neues Leben in mir, sondern bin offensichtlich nur allergisch gegen Mückenstiche. Und da der Sommer ausgebrochen ist, sehen alle meine blassen Beine, meine Füße, meine Haare auf den Schultern und meine infizierten Mückenstiche. Eine Steilvorlage für B. und F., über diverseste Körperteile zu lamentieren. Ich finde mich untenrum super, aber obenrum, also den Torso, nicht so, sagt F. Bei B. ist es andersrum. Für mich sind B. und F. perfekte Wesen, aber wahrscheinlich bin ich das auch für sie.

Zumindest eher als für andere: Wenn ich mich an die Zugfahrt und die Blicke der anderen Gäste erinnere, scheinen auch L. und ich für viele ungewöhnlich und bizarr zu sein – wegen der Bärte, der Behaarung, des Stils. Okay, das ist jetzt gelogen. L. ist niemals hässlich. Mich hingegen schauen die Leute oft komisch von der Seite an. Ich kann nicht mal am Hermannplatz vorbeilaufen, ohne idiotische Bemerkungen zu hören, meistens von Menschen mit Flip-Flops. Das hat meine Ich-Empirie ergeben, und die muss doch zählen. Übrigens der Grund, wieso ich den meisten Menschen, die Flip-Flops tragen, auf die Füße pinkeln will.

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Enrico Ippolito
Redakteur bei taz2/medien
Jahrgang 1982, ist seit 2011 bei der taz. Seit November 2012 wirkt er als Redakteur bei tazzwei/medien. Zuvor hat er ein Volontariat bei der taz absolviert.
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13 Kommentare

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  • J
    jutebeutelvollerkotze!

    Eh du Langweiler, an Berlin is der Riot cool und sonst nix...kannste dein Modekram anderswo durchziehen...WA!!!

  • IN
    Ihr Namee

    Der Enrico hat aber auch immer Probleme...

  • T
    Tja

    Tja, die boesen Deutschen/Berliner. Wo bleibt eigentlich Mike?

  • MN
    Mein Name

    Ich finde Berlin laut, stinkend und langweilig. Mehr eine Art Kinderspielplatz für Spatpubertierer die auch mal Erwachsen spielen wollen.

  • R
    rumkugeln

    in berlin halten sich doch eigentlich die für am coolsten, die einst als blutgruppe "i" landeier vor ein paar monaten oder jahren hergezogen waren und nun den anderen landeiern erklären wollen, wer cool ist.

    und hey, das thema scheint ein gut teil der online taz zu füllen.

  • T
    Tom

    Solange es sogar ein nörgelnder, provokanter Vollpfosten wie Enrico und sein saublöder Hipsterbart und ein kritischer, selbstbewusster Intellektueller wie ich in dieser Stadt aushalten, obwohl wir beide uns in der heiligen Pflicht sehen, sie voreinander zu verteidigen, kann's so schlimm ja dann doch nicht sein.

  • PM
    pseudoberlinerisch must die, wa!

    Dit ham wa jerne: hier herkomm, von tutn und blasen keene ahnung haben(obwohl, vielleicht ja doch) und sich denn über andere zujezochne uffrejn.

     

    PS der bart = iiih

  • P
    Peter

    Endlich habe ich einen Namen für meine geheimen, persönlichen Studien. Ich-Empirie. Danke Enrico!

  • G
    Guappo

    Mein lieber Herr Ippolito!

     

    Ich habe Ihnen doch schon vor Monaten

    ein kostenloses fashion coaching gegeben:

     

     

    Marcello Mastroianni! "La dolce vita"!

    Stil! Distinktionvorsprung!

     

    Auf Ihrem aktuellen Thumb jedoch

    erblicke ich nur noch

    philisterhafte, glatt gemainstreamte

    Konsum-Oberflächlichkeit.

     

    Fehlen nur noch dicke, infantile Kopfhörer,

    dann sind sie vollends angepasst.

     

    Bzw. unsichtbar.

     

    Wollen Sie das etwa?

  • S
    Susanna

    Nur, um hier mal die Statistik der Kommentare zu verschönern: Super Artikel hätte ich so auch geschrieben.

    Vollgepackt hilft einem keiner und angestarrt werde ich auch, sobald ich Berlin verlasse.

    Der Rest von Deutschland ist eine verstockte, verklemmte, phantasielose Ansammlung von Materialisten mit Rentenanspruch ohne jede Neugier, die längst aufgegeben hat, ein aufregendes Leben zu führen. Yeah!

  • J
    jaja

    ja, die deutschen sind schon ein volk von grießgrämigen, kleinkarierten drecksäcken.

  • 1
    1Kritiker

    Berlin ist eine hochsubventionierte Insel der Ahnungslosen, der Nerds, der Narzissen und Honks...

    ...und unfähiger Poli-Bonzen.

     

    Kurzum ein faulendes, dreckiges Loch.

  • H
    horst

    wow. was für eine verschwendete lebenszeit, diesen artikel gelesen zu haben und ihn anschließend noch zu kommentieren.