Kolumne So nicht: Absolut illoyal
In Deutschland und der Türkei ist Loyalität gerade ein Hot Topic. Als Doppelstaatsbürger fragt man sich, ob nicht vor allem die CDU ein Loyalitätsproblem hat.
Populismus funktioniert so, wie Trendwörter funktionieren. Aus dem Nichts auftauchen, sich mitten reinstellen, alle anfixen, schnell wieder in die dunkle Besenkammer des Vokabulars verschwinden, Verwirrung und Verwüstung hinterlassen und sich von jeder Verantwortung freisprechen.
In den letzten Tagen hat der inflationäre Gebrauch der Wörter Respektlosigkeit (zur Frage nach Olympia-kompatiblem Auftreten von Deutschen) und Loyalität (zur Frage nach Deutschland-kompatiblen Türken) gezeigt, wie das geht.
Ein weiteres Wort, das sich nun schon mindestens den dritten Sommer außerhalb der Besenkammer breitgemacht hat, ist: „Absolut!“ Ob der Grund für dessen Anziehungskraft schwedische Wodkatrails sind oder die Sehnsucht nach ein bisschen mehr monarchischer Machtkonzentration, lässt sich schwer sagen.
Auf jeden!
Fest steht, dass „Absolut!“ heute klassen-, milieu- und saisonübergreifendan der Stelle steht, an der man jemandes Aussage beipflichten möchte und an der man früher schlicht „Ja!“ oder „Genau!“ oder „Klaro!“ rief oder „Sicher!“ oder „Gewiss!“ oder „Voll!“ oder „Ohne Zweifel!“ oder „Auf jeden!“ oder „Aber Hallo!“ sagte.
Auch beim türkischen AKP-Abgeordneten Mustafa Yeneroğlu. Seit Wochen auf Erdogan-Werbefeldzug in deutschen Talkshows, erzählte er bei seinem Auftritt am Montagabend bei Hart aber fair so einiges Irres.
Das Irrste aber war, als er auf Frank Plasbergs Anmoderation: „Ich möchte darauf hinweisen, dass Sie nicht nur Abgeordneter, sondern auch Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses sind. Das macht Ihre Antwort noch spannender“ mit „Absolut!“ beantwortete. Und daraufhin das „mediale System“ in Deutschland angriff, dass über die rechtsstaatlich korrekt durchgeführten Maßnahmen in der Türkei falsch berichte.
Absolut super, dieser Fan des absolut tollsten Präsidenten aller Türken und Zeiten.
Neben diesem absoluten Sonderstatus von „Absolut!“ hat absolut in seiner angestammten Funktion als Adverb diese Woche aber auch seine Auftritte gehabt.
Absolut wünschenswert
Die Ergebnisse der deutschen Schwimmer nannte der absolut gar nicht dafür verantwortliche DSV-Chef Alfons Hörmann „absolut besorgniserregend“. Und der absolut gut informierteste aller Berliner Innenminister, Frank Henkel, nannte ein Burka-Verbot und ein Doppelstaatsbürgerschafts-Verbot „absolut wünschenswert.“ Dafür wurde er von allen für absolut bescheuert, nur von der AfD für absolut wählbar erklärt.
Sowohl ein Verbot der Burka als auch ein Verbot der Doppelstaatsbürgerschaft könnte allerdings dazu beitragen, dass sich genau die Menschen, die sich eben gerade nicht absolut sicher sind, wie sehr sie in diesem Land willkommen geheißen werden, weiter von diesem Land entfremden.
Als der türkische Präsident Erdogan im April ankündigte, die Regierung würde Leuten die türkische Staatsbürgerschaft entziehen, die sie für Unterstützer der PKK hält – „Wir sind nicht dazu verpflichtet, Leute mitzutragen, die ihren Staat und ihr Volk verraten“ –, war der deutsche Außenminister beunruhigt und selbst in den Reihen der CDU war von Diktatur und Faschismus die Rede.
Ich bin eine der 212.713 Berliner Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft. Und ich frage mich, warum es eigentlich was anderes sein soll, ob Erdogan oder die CDU meine „Loyalität“ in Frage stellt. Muss sich die CDU fragen lassen, ob sie sich absolut illoyal zu ihren eigenen 2014 beschlossenen Grundsätzen, der Abschaffung der Optionspflicht, verhält? Absolut!
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