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Kolumne So NichtWas ist das für ein Wir?

Die Botschaft: Wir alle können deutsch sein. Ein Professorenehepaar erklärt, wie EinwanderInnen „passförmig“ gemacht werden.

So schön deutsch: Herfried Münkler in seinem Biotop (Humboldt-Universität zu Berlin) Foto: imago/Christian Thiel

H erfried Münkler ist Professor und Marina Münkler ist Professorin. Sie sind verheiratet, haben zwei Kinder und zusammen haben sie gerade ein Buch geschrieben, das „Die neuen Deutschen“ heißt. Der Titel erinnert an ein anderes Buch, das „Wir neuen Deutschen“ hieß. Das handelte nicht nur von Kindern von Einwanderern, sondern war sogar von Kindern von Einwanderern geschrieben worden. Erfolgreichen Kindern von Einwanderern. Gut verdienenden. Und das sind Einwanderer, die auch den Münklers vorschweben, wenn sie an die noch neueren Deutschen denken, von denen ihr Buch handelt.

Das Wir im Titel des Einwandererkinderbuchs ist aus dem Titel des Professorenehepaarbuchs verschwunden. Drinnen ist es dafür umso präsenter. Es geht nicht um ein konkretes Personen-Wir, sondern um das abstrakte Deutsch-Wir. Mit dem soll aufgeräumt werden.

Deutsch soll nicht mehr sein, wer nichts dafür kann, also einfach nur in Deutschland geboren ist oder Eltern hat, die in dieser Hinsicht etwas vorzuweisen haben. Deutsch soll sein, wer ordentlich arbeitet, seine Familie ernähren kann und dem Staat nicht unnötig auf der Tasche liegt.

Der Move, alles Identitäre, AfD-ige, Pegidistische, blutig Bodenverhaftete von der Frage nach der Zugehörigkeit zum deutschen Kollektiv auszuschließen und es endlich für alle zur Verfügung zu stellen, die Bock drauf haben, ist ja völlig in Ordnung. Deutschland, einig Einwanderungsland.

Wir da und ihr da

Die Münklers hätten ihr Buch aber auch „Wer sind Wir und wenn ja wie viele“ nennen können. Da wäre auch eine Anspielung auf einen erfolgreichen anderen Buchtitel drin gewesen. Aber gut, da wäre dann das Deutsch ganz weg gewesen und das soll ja auch nicht. Es soll ja schon ein Wir und nicht zwei Wir sein. Weil, ab zwei Wir wird es kompliziert. Der noch passendere Titel für das Buch der Münklers nämlich wäre gewesen „Wer sind Wir und wenn ja, ab welchem Nettoeinkommen?“

Kürzlich saßen die Münklers bei Lanz in der Talkshow und da erklärte der Professor seine Wir-Idee. Wir hätten Lücken bei den Facharbeitern und bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen. Aber diejenigen, die nun zu uns gekommen sind, seien dafür „nicht passförmig“. „Die passen nicht wirklich zu uns“, wiederholte er mehrfach. Und hatte eine passende Lösung parat: „Wir müssen sie fit machen und in sie investieren, damit sie passförmig werden.“

Das Münkler-Wir ist passförmig. Mit einem doppelten Professoren-Gehalt können die Münklers ihre Familie fit machen und in sie investieren. Was aber passiert mit Leuten, die nicht in das Münkler-Wir passen, also einfach keine Arbeit haben oder trotz drei Jobs ihre Familie nicht ernähren können?

„Die liegen den ganzen Tag nur faul rum und dem Staat auf der Tasche und verfressen unsere Steuern“ ist Bestandteil des rassistischen Ressentiments. Mit der Münkler’schen Definition der neuen Deutschen kriegt man das nicht aus den Köpfen. Und die Frage, ob statt der Menschen nicht vielleicht eher „unsere Wirtschaft“ passförmig gemacht werden muss, passt den Münklers gar nicht.

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Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
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6 Kommentare

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  • hauptsache erfolgreich?

    da bleibe ich doch lieber in x-berg wohnen, auch wenn dessen bürgermeisterin keinen erfolg hat und die wilmersdorfer witwen lieber henkel wählen.

    und münkler war als nachbar unangenehm. mehr zu sagen verbietet die netti-kette.

  • Keine Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Buches, dafür ein bisschenElitenfeindlichkeit mit Sozialneid garniert. Chapau, Frau Akrap! So sieht AfD ohne Nationalismus aus.

     

    Ich finde, dass das unter Ihrem Niveau ist.

  • Naja so überraschend finde ich das nicht, denn das Mantra, welches hinter dieser Botschaft steckt, ist ein neo-liberales: Jenes Deutsch-'sein' wird in diesem Diskurs dann zu einem Verdienst, der sich an individuierte Forderungen bindet, d.h. du 'bist' nur 'deutsch' wenn du Leistung bringst, wenn du in dieser Gesellschaft oben auf schwimmst. Zwar wird das alles von irgendwelchen Naturalismen und Rassismen (zumindest oberflächlich) befreit, wird aber durch die individuierte Rückkoppelung doch wieder auf die Einzelperson, deren 'Leistung', deren 'Willen', deren 'Fleiß' usw. zurückgeführt. Das 'Deutsch-sein' wird damit mit einer universalistischen Tugend verquickt, an der schon früher die ganze Welt genesen sollte.

     

    Das Phantasma des typisch deutschen Fleißes und der Tugend reicht ja weit zurück, wird hier nur unter aktuellen, d.h. neoliberalen Vorzeichen gewendet und führt letztendlich in die selben Probleme, die sich grundsätzlich aus solchen (Selbst-)Regierungsformen ergeben.

  • Was nicht passt, wird passend gemacht. Notfalls mit dem Hobel, der nebenbei halt Späne produziert. Der Neubürger als Brett vorm Kopf eines Professors, der „seiner“ Welt ganz unbedingt beweisen muss, dass er die Form beherrscht, in die er jeden pressen will, den er zum „Wir“-Sein braucht.

     

    Nun ja. Manch einer ist bescheiden. Herr Münkler und Gattin fühlen sich ganz offensichjtlich wohl in der Gesellschaft rassistisch-neidgeplagter Ressentiment-Pfleger. Mir wäre das ja nichts. Aber Geschmäcker sind ja ziemlich unterschiedlich. Man muss auch gönnen können, gel?

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Münkler ist Pragmatiker und Realist. Wenn man sein Denken mit idealistischen Ansätzen konfrontiert, geht er immer als Sieger vom Platz. An ihm müsste eine Linke z.B. ihre außenpolitische Strategie schulen. Nicht durch Kopie, sondern weil er die richtigen kritischen Fragen stellt und sich die Verhältnisse nicht in Pastell malt.

     

    Dass unsere Wirtschaft passförmiger werden soll, ergibt vielleicht ein fesches linkes Feierabendgespräch. Ohne Verhandlungsmacht laufen solche Phantasien aber leer. Und genau das erleben wir. Arbeitsmarkt ist Jeder gegen Jeden, wer nicht spurt, wird in seiner Existenz sanktioniert. Diese Disziplinierung beschäftigt die Köpfe und Körper nun über zehn Jahre. Das ist konkrete Erfahrung der Menschen. Hass und Neid durchsetzen die sozialen Bindungen und haben die Gesellschaft weitgehend (bis auf die unmittelbare Nahgruppe) entsolidarisiert. Das ist die Folie vor der man seine Überlegungen äußern sollte. Und da ist mir Münklers Pragmatismus, weil er den Einzelnen quasi auf entsolidarisierten Systeme und die Leistungsgesellschaft vorbereitet, näher als wohlfeiles, bequemes Gequatsche vom schönen Abenstern.

  • "Mit einem doppelten Professorengehalt können die Münklers ihre Familie fit machen und in sie investieren." =

     

    "Was aber geschieht mit Leuten, die nicht in das Münkler-Wir passen, also einfach keine Arbeit haben oder trotz drei Jobs ihre Familie nicht ernähren können?" =

     

    Wohl mit das Beste, was man bisher lesen konnte, über die gesellschaftliche, materielle und soziale Realität in der Bundesrepublik - und im realen münklerischen, gau©klerischen und quandtschen Bourgeoissozialismus!

     

    Laut BA waren im Mai 2016 rund 6,91 Millionen Menschen in Arbeitslosengeld oder Hartz-IV-Leistungen. Das sind zweieinhalb Mal so viele Menschen wie vor 25 Jahren.

     

    Senioren, die ihre Armutsrente aufstocken müssen oder Menschen, die trotz Arbeit in Armut leben, bekommen staatliche Hilfe. Auch mehr als 1,7 Millionen Kinder leben in Armut und sind auf den Hartz-IV-Strafvollzug angewiesen.

     

    Nach den Zahlen der BA waren im Mai (nur) noch 2.664.014 Menschen arbeitslos. In Wahrheit gibt es deutlich mehr Menschen, die am Erwerbsleben nicht teilnehmen können. Sie werden von der Statistik nicht erfasst. Insgesamt kommen noch 864.000 hinzu. Die Zahl der Arbeitslosen liegt also bei 3,6 Millionen Menschen (- ohne die neuen Flucht- und Vertreibungsopfer in der BRD 2015/2016).

     

    Arbeiter*innen, die aus dem Berufsleben aussteigen müssen, um ihre kranken Angehörigen zu pflegen, werden von der Arbeitslosenstatistik nicht erfasst. Gleiches gilt für Schwer Kranke, die nicht arbeiten können. Nach Schätzungen liegt die Dunkelziffer, außerhalb der offiziellen Statistik in der BRD hier bei rund 750.000 Menschen.