Kolumne Rote Erde: Schwellköpfe
Ich bin sauer. Erst werde ich an einem falschen Hotel abgesetzt, dann trifft ein dänischer Strahl den staubigen Boden vor mir und ich muss lesen, dass Fans bei Huren Schlange stehen.
E ine WM ist eine WM ist eine WM - egal wo sie stattfindet. Das denke ich mir, als sich ein riesiger dänischer Fan vor mir aufbaut und mich anbrüllt, ich solle gefälligst aus dem Weg gehen, er sei gerade dabei, seinen Schniedel aus der Hose zu holen. Er müsse dringend, jetzt und genau an dieser Stelle pissen.
Da lasse ich mich nicht lange bitten. Der dänische Strahl trifft das Trottoir vor einem besseren Hotel in der Nähe des Flughafens, wo ich von einem Shuttle-Service für Medienvertreter abgesetzt worden bin, obwohl ich eigentlich ganz woanders hin wollte. Ich ärgere mich, wofür die Hotelmanagerin kaum Verständnis zeigt. Der Shuttle zum Stadion sei doch unterwegs und in gut einer Stunde eventuell schon da. Ich ärgere mich weiter, warte und beobachte dänische Fußballfans beim Trinken und allfälligen Wasserlassen.
Als sich zwei aufgedonnerte, sehr junge Frauen an drei sommersprossige dänische Schwellköpfe heranschleichen, werden sie weggeschickt. Sie setzen sich zu zweit an einen Tisch und freuen sich, als der Kellner ihnen zwei grasgrüne Longdrinks hinstellt. Die drei Dänen halten ihre Biergläser in die Höhe und winken ihnen zu.
Andreas Rüttenauer ist Sportredakteur der taz und in Südafrika unterwegs.
Wieder versuchen die wirklich sehr, sehr jungen Frauen an die wirklich sehr, sehr dicken Dänen, die schon ziemlich kuhäugig dreinblicken, heranzukommen. Ein Mitarbeiter des Hotels hält die Mädchen jedoch davon ab, erlaubt ihnen immerhin, ihre grüne Soße auszutrinken, und schickt sie nach Hause: "Und vergesst nicht, wieder in die Schule zu gehen, wenn die WM vorbei ist", ruft er ihnen nach.
Wenn das die Huren von Hillbrow wüssten! In jenem finsteren, geradezu anarchischen Stadtteil direkt am WM-Stadion Ellis Park, werben finstere Hotels offen mit Dienstleistungen, die eigentlich verboten sind in Südafrika. Ein paar Prostituierte, deren Körper dort feilgeboten werden, haben sich bei der Tageszeitung Sowetan über ihre Erwartungen an den WM-Sextourismus ausgelassen: Es soll schon etwas gehen.
Die gute Nachricht für alle notgeilen WM-Touris liefert der Sowetan auch: Die Preise sind stabil. Weil die Puffs befürchtet haben, die Preise könnten angesichts importierter Sexsklavinnen aus Simbabwe unter Druck geraten, kostet eine normale Nummer wie üblich 200 Rand (21 Euro). Das Geschäft geht wohl gut. Ein WM-Freier beschwert sich allerdings beim Reporter: Der Andrang sei so groß gewesen, dass er hinter einem Vorhang warten habe müssen, bis der Kunde vor ihm abgefertigt war. Das ist mal ein Problem, denke ich mir, für das man die Fifa oder das Organisationskomitees nicht verantwortlich machen kann.
Nach zwei Stunden ist der Medienshuttle immer noch nicht da. Ich bin sauer: scheiß Fifa, scheiß OK, scheiß Dänen!
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