Kolumne Rote Erde: Finstere Botschaften
In Südafrika freute ich mich über die freundlichen Gesichter, die mich anstrahlten, bis ein Bure mich warnte: Ich solle schnell aus dem Viertel wegfahren - das sei fest in "schwarzer Hand".
A m Sonntag habe ich an Urlaub gedacht und daran, dass ich mich so schlecht im eigenen Land erholen kann. Das liegt weder am Wetter, das ja auch in Deutschland mal gut sein kann, noch an den Landschaften, von denen es ja auch einige gibt. Es liegt daran, dass ich meine Mitbürger so gut zu kennen glaube, dass ich sie bisweilen nur anzusehen brauche, um zu wissen, was für Mittagsruhefaschisten, Nagelscherenrasenmäher und Dasdarfmanjabeiunsnichtsagenrassisten das sind.
Andreas Rüttenauer ist Sportredakteur der taz und berichtet aus Südafrika.
Im Ausland ist das anders. Da freue ich mich über jedes freundliche Dienstleistergesicht, und am besten geht es mir, wenn ich in einem Land bin, wo ich die Menschen nicht verstehe. Wenn ich nicht weiß, was die Menschen denken, macht mich das auch nicht heiß.
In Südafrika habe ich mich zunächst auch über die freundlichen Gesichter einfach nur gefreut, die mich allüberall angestrahlt haben. Bis zum Sonntag. Weil es schön warm war am Nachmittag, bin ich ein wenig spazieren gegangen in Turffontein, dem Stadtteil im Süden Johannesburgs, in dem ich Quartier bezogen habe. Viel ist da nicht los. Vor einem Supermarkt hat sich ein spontaner Flohmarkt gebildet, vor den Cafés werden Würste und Hühner gegrillt, einige Kinder sprechen mich an und wollen mir einen Bleistift für 1 Rand verkaufen.
Plötzlich hupt es direkt neben mir. Ein Auto hat angehalten. Der Fahrer winkt mich zu sich heran. Was ich denn hier mache, fragt mich der Bure, der am Steuer sitzt, ich solle schnellstens zu ihm einsteigen, er würde mich wegfahren aus diesem finsteren Viertel. "Das ist hier sehr schwarz - und außerdem fest in nigerianischer Hand. Drogen, Sie verstehen?"
Am Abend, auf der Rückfahrt von Soccer City, sitze ich im Taxi. Der Fahrer stellt mir die Frage, die mir alle Taxifahrer stellen in diesen Tagen. "Ja", antworte ich, "es gefällt mir gut in Südafrika." Der Chauffeur freut sich. Nur das mit der Kriminalität sei ein Problem. "Aber das ist kein südafrikanisches Problem. Die Ausländer bringen das Verbrechen ins Land." Kenne ich, den Satz, denke ich mir. "Die arbeiten wie die Löwen, liegen den ganzen Tag rum und einmal am Tag schnappen sie zu."
Er zeigt auf eine winzige Bude, in der man Schuhe reparieren lassen und zusammengeflickte Schuhe kaufen kann. "Das ist ein Nigerianer. Und der verkauft nicht nur Schuhsohlen. Drogen, Sie verstehen?" "Und die nigerianischen Fußballer", frage ich ihn, "handeln die auch mit Drogen?" "Die können nicht anders", sagt der Fahrer doch tatsächlich. Dies ist der Moment, in dem Südafrika als Urlaubsland für mich gestorben ist.
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