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Kolumne PressschlagFreiheit für Philipp Lahm

Kolumne
von Markus Völker

Weil der Bayern-Spieler ein Tabu bricht, schäumt Vereinsboss Uli Hoeneß. Was das mit dem Fall der Mauer zu tun hat ...

I n diesen Tagen ist viel von der Freiheit die Rede. Das liegt an einem gewissen Jubiläum. Und wirklich, wir leben in einem freien Land. Arbeitgeber sind so frei, ihre Angestellten heimlich per Videokamera zu überwachen und ihre E-Mails zu lesen. Mitunter sind Privatdetektive im Einsatz, um leitende Angestellte zu observieren.

Unternehmen sind außerdem so frei, Privatgespräche im Dienst zu verbieten und missliebige Leute vor die Tür zu setzen; ein Vorwand findet sich immer. Es ist opportun, den Mund zu halten und zu tun, was der Chef sagt. Angestellte in Deutschland sind vor allem eines: angepasst, oft bis zur Selbstverleugnung.

Bei dem Fußballspieler Philipp Lahm ist das ein bisschen anders. Er hat sich in einem Zeitungsinterview geäußert. Lahm hat kein Blatt vor den Mund genommen. Die Reaktionen seines Arbeitgebers sind unerbittlich, eine hohe Geldstrafe wird verhängt. Darf der Angestellte Lahm seine Meinung frei äußern, einfach so und ohne Rücksprache mit der Pressestelle des FC Bayern, oder ist er, der um seine Verantwortung und die hervorragende Zahlungsmoral seines Arbeitgebers weiß, nun ein Quertreiber, ein illoyaler Typ?

Bayern-Boss Uli Hoeneß hat seine Antwort gefunden. Er hat dem Angestellten Lahm gedroht, unverhohlen, vor vielen Kameras und Mikrofonen. Er hat auch Lahms Berater gedroht. Am liebsten hätte er wohl mit allen Kritikern abgerechnet. Bestimmt hält Uli Hoeneß die Meinungsfreiheit für ein hohes Gut, nur eben nicht in seinem Herrschaftsbereich, beim FC Bayern. Die Herren Fußballer, so sein Credo, dürfen sich gern lang und breit über Lappalien auslassen, sie dürfen auch die wohltätige Ader des Patriarchen preisen, geht es aber ans Eingemachte, dann haben sie still zu sein.

Der Führungsspieler Lahm, im Nationalteam die Nummer zwei hinter Kapitän Ballack, hat den Mund aufgemacht und das gesagt, was viele denken im Verein. Wenn man so will, hat Lahm ein Tabu gebrochen und den Hüter des Tabus, Uli Hoeneß, damit offen angegriffen. Man mag darüber streiten, ob das nun taktisch klug gewesen ist, mutig war es auf jeden Fall, verdammt mutig sogar.

Im Grunde hat sich der Defensivspieler in den Dienst des Klubs gestellt. Dass Hoeneß in den Worten Lahms nur wuchernde Indiskretionen entdeckt, spricht für seine Verbohrtheit und seinen absoluten Machtanspruch, der in dem Verdikt gipfelt: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.

Freiheit ist die Freiheit des Andersdenkenden, heißt es so schön. Wie weit die Freiheit des Angestellten respektive anders denkenden Lahm beim FC Bayern geht, hat man nun gesehen.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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4 Kommentare

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  • O
    olaf

    Herr Durden taeuscht sich - Uli Hoeness ist kein uebler Despot, seine Kritik ist angemessen.

    Es geht nicht um den Inhalt, es geht um den Weg, den P. Lahm gewaehlt hat und der war falsch. Warum waehlt er den direkten Weg an die Presse, anstatt intern zu kritisieren? Das "Gewicht" hat er als Kapitaen, seine Stimme haette Beachtung gefunden. Seine Aktion hat einen schalen Beigeschmack, auch wenn sie inhaltlich in wesentlichen Punkten zutreffen mag.

    Titel im Fussball gewinnt man nur mit einer geschlossenen Leistung, nicht mit Querschlaegern, die ihre "Kollegen im Mittelfeld" oeffentlich anschwaerzen....

    Mir geht es nicht in den Kopf, was er damit erreichen wollte...

  • RB
    Reiner Baltes

    Man muss sich schon fragen, warum die Spieler sich nicht weigern, solche Kodexe zu unterschreiben! Herr Lahm, der sich sonst in unmittelbaren Interviews immer sehr loyal zeigte, hat es nun einmal gewagt, die Wahrheit auszusprechen. Der FCB sollte die Strafe um das Doppelte aufstocken und dahin spenden, wo es gebraucht wird! Wenn dieser Verein damit nicht umgehen kann-Kodex hin oder her-dann tut er mir leid.

     

    Außerdem nervt dieses Gebayere - über den bisher toll aufspielenden Karnevalsverein, der momentan einen Punkt besser dasteht, wird nichts geschrieben...Naja, vielleicht besser so, dann können die wenigstens in aller Ruhe ihre Punkte sammeln

  • JK
    Jens Kümmerer

    Da gibt es nur zwei Worte zu sagen: Geniale Kolumne!

  • TD
    Tyler Durden

    Ich finde das zeigt einmal mehr das wahre Gesicht des Uli H. Er ist und bleibt einfach ein übler Despot. Ob man genau diese Eigenschaften vorweisen muss um einen Fußballverein erfolgreich zu führen bezweifel ich stark.