Kolumne Pressschlag: Der Skandal-Sepp
Es scheint, als hätten sie schon lange darauf gewartet, den Strippenzieher abzustrafen. Warum sich vornehmlich Engländer über Blatters Entgleisung erregen.
S epp Blatter ist ein Freund des schwarzen Mannes. Das hat Sepp Blatter klargestellt. Um den Vorwurf zu entkräften, er verharmlose den Rassismus auf allen möglichen Fußballplätzen dieser Welt, posiert der Schweizer aktuell auf der Internetseite des Fußball-Weltverbandes mit Tokyo Sexwale. Das heißt: Er liegt förmlich in Sexwales Armen.
Der Südafrikaner, der die Zudringlichkeiten des 75-Jährigen mit Würde zu ertragen scheint, sitzt in der Fifa-Kommission für Fairplay und soziale Verantwortung und hat während der Apartheid auf Robben Island eingesessen. Ein Funktionär mit dieser Vita taugt natürlich hervorragend zum Kronzeugen für die ganzheitlich gute Gesinnung des Fifa-Bosses.
Gleich in zwei Interviews hatte Blatter rassistische Beschimpfungen auf dem Rasen als Kinkerlitzchen abgetan. Die Spieler sollten sich nachher die Hände geben und vergessen sei der Zwist. Ist doch nur Fußball. Ein Spiel. Erst wird gekämpft, dann umfassend vergeben. Das war Blatters Botschaft.
Seine Einlassung hat vor allem in England hohe Wellen geschlagen. Rio Ferdinand, Innenverteidiger von Manchester United, hat sich beschwert über den Sepp. Er fand dessen Äußerungen "herablassend" und "lächerlich". Auch der englische Sportminister Hugh Robertson und Labour-Chef Ed Miliband schimpften.
ist Redakteur im Sportressort der taz.
Allerorten forderte man den Rücktritt des Fußballbarons aus Zürich. Gestern stimmte auch David Beckham in den Kanon der Fifa-Verächter ein. "Entsetzlich" sei das von Blatter Gesagte: "Ein Rückschritt für den Fußball."
Fast das gesamte Fußball-Establishment in England hat sich mit großkalibrigen Flinten auf Blatter eingeschossen. Man scheint nur darauf gewartet zu haben, diesem auf der Insel so verhassten Strippenzieher eins auszuwischen, ihm, der wohl entscheidend daran mitgewirkt hat, dass England, das Mutterland des Fußballs, keine WM bekommen hat.
Mit heiligem Ernst gehen sie in London oder Liverpool zu Werke. Das nötigt durchaus Respekt ab, bedenkt man, dass Blatter auf dem Kontinent noch immer mit einer Nachsicht behandelt wird, die auch einem Silvio Berlusconi in zehn Jahren an der Spitze Italiens zuteil wurde.
Man ist sich einig, dass da eine Skandalnudel sitzt, fühlt sich von den Mauscheleien des Machtmenschen Blatter aber auch prächtig unterhalten. "Ja mei, so ist sie halt, unsere alte, korrupte Fifa", sagt der deutsche Durchschnittsfan und freut sich schon wie verrückt auf die nächste Fifa-WM mit Fifa-Knebelverträgen und dünnem Fifa-Bier.
Schwätrzereien
Dumm herum geschwätzt hat Blatter schon immer. Obwohl er sich auf Augenhöhe mit den Staatschef dieser Welt sieht, lässt er bisweilen alle diplomatische Vorsicht fahren: Einst wollte er die Fußballfrauen in engere Leibchen stecken, damit sie sexy aussehen; das Transfersystem bezeichnete er als "moderne Sklaverei" und vergaß dabei, dass die Spieler in diesem Sklavensystem besser verdienen als so mancher Vorstandsvorsitzende; schwulen Fußballfans, die zur WM 2022 nach Katar fahren wollen, empfahl er, um nicht ins Visier der katarischen Polizei zu geraten, "sexuelle Aktivitäten" einzustellen.
Wirklich witzig ist freilich das von Blatter immer wieder wiederholte Mantra, die Fifa sei ein Hort sauberen Wirtschaftens und demokratischer Prinzipien.
Sepp Blatter dürfte ob der Angriffe aus England nicht nervös werden. Solange sein System des Eine-Hand-wäscht-die-andere so prächtig funktioniert wie bisher, können die auf der Insel ruhig vor Wut schnauben. Er, der Blatter-Sepp, hat Freunde. Tokyo Sexwale zum Beispiel.
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