piwik no script img

Kolumne Press-SchlagBerauschend - so spielen die anderen

Die Lehre aus den deutschen Uefa-Cup-Erfolgen: Die kleine Bundesliga ist in der zweiten Klasse erstklassig. Für die erste Klasse fehlt einfach das Tempo.

Erste Klasse mit der Bahn fahren ist schon toll. Alles gediegen, viel Platz und Service, man ist unter sich und wird nicht von, nun, so Volk eben behelligt. Während man in seinem Sternekoch-Gourmet-Salat pickt, bewundert man das nigelnagelneue Airbook des Mannes nebenan und dämpft den aufbrechenden Neid mit der Beobachtung, dass der Nachbar definitiv kein Budapester Schuhwerk trägt. Ja, so ist es eben, das Leben betuchter Erstklässler. Schon ein bisschen langweilig.

In der zweiten Klasse ist es immer etwas zu voll und hektisch, viel merkwürdiges Volk, ab und zu prekäre Gespräche über Geldsorgen und Männergeschichten, zu oft und zu laut am Handy geführt. Geliefert bekommt man nur lauwarmen Instant-Kaffee, dafür weht gelegentlich der Duft hartgekochter Eier durchs Abteil. Manchmal ist es trotzdem lustig. Fußball ist auch so. Die toperstklassige Champions League ist berauschend, mit wunderwahnsinnsschnellem One-Touch-Fußball von Stars, Super- und Megastars, die sich erstklassige Immer-Top-Vereine eben so zulegen. Von den 16 Achtelfinalisten der Champions League sind zehn aus England, Spanien, Italien. Viel Geld, viel Qualität, um mit Arsène Wenger zu sprechen, dem Arsenal-Trainer. Da kann man nur vor Neid erblassen.

Gut, wenn dann Arsenal und Milan aufeinander treffen, verläuft das manchmal zwar seeehr elaboriert, aber auch torraumarm, und am Ende ist das alles für emotionale Zugucker zu ausgeglichen erstklassig. Der Experte als solcher ist natürlich begeistert von dieser Elite.

Die bleibt auch gern unter sich. Wird, mit anderen Worten, gerade wenig von deutscher Behäbigkeit belästigt. Bundesliga-Fußball in der Champions League ist in dieser Saison eher zweitklassig gewesen - Schalkes tapferes Durchhalten hin oder her. Die Bundesliga als solche ist langsam geworden. Frei nach Wenger: Tempoverlust durch Armut.

Das ist schon mit bloßem Auge zu erkennen, Messungen habens nun noch mal bestätigt. Europas Topteamplayer passen den Ball binnen einer Sekunde weiter, ein Bundesligaspieler braucht mindestens doppelt so lange, bis er weiß, wo es langgehen könnte. Das ahnt dann aber der Gegenspieler meist auch schon.

Weshalb dann so ein reeller zweitklassiger Europa-Tag mit dem deutschen Fußball ziemlich okay ist. Nicht immer unbedingt elaboriert, aber dafür engagiert. Und hey, wenn es nicht gegen die aktuelle Beletage des europäischen Fußballs geht - also Spanier und Engländer oder Italiener - dann haben im wuseligen Uefa-Cup mit seinen Kombattanten von Getafe bis St. Petersburg die Bundesligisten noch was zu bieten. Unter den mittellangsamen Halbguten sind sie richtig gut. Schön gediegen lief es am Super-Donnerstag beim HSV, schön torreich bei Bayern und Bayer, schön dramatisch bei Nürnberg, traurig am Ende leider, zum Abschluss schön nervenschonend schaumgebremst bei Bremen.

Da wars schon spät. Der deutsche Fußball ist im zweitklassigen Europa derart führend, auch quantitativ, dass er im Achtelfinale sogar gegen sich selbst spielen muss, Hamburg gegen Leverkusen. Wer das interne Duell verliert, kann sich wenigstens ganz aufs nationale Platzierungsrennen konzentrieren. Wie Nürnberg auf den Klassenerhalt.

Erstklassig bemüht haben sie sich aus dem internationalen Geschäft verabschiedet, jetzt müssen sie aufpassen, nicht im echten Leben zweitklassig zu werden. Wobei: Die Zweite Liga hierzulande ist nicht zu unterschätzen, sogar dem FC St. Pauli ist inzwischen schon einmal One-Touch-Fußball unterstellt worden. Vermutlich gibt es den in verschiedenen Ausführungen. Ja, Fußball ist schon eine schöne große Welt - und die kleinen Bundesligen sind mittenmang.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!