Kolumne Press-Schlag: Skandalöse Basisarbeit
Wolfgang Niersbach spricht keinen Ton über seine Pläne als DFB-Präsident. Da kann Andreas Rüttenauer als Gegenkandidat nur noch zur Oppositionsrhetorik greifen.
M erkwürdige Dinge gehen mit mir vor, seit ich mich entschlossen habe, für das Amt des DFB-Präsidenten zu kandidieren. Ich bin zum "So nicht"-Sager geworden und verfalle, immer wenn ich über den Verband rede, in einen hässlichen Oppositions-Slang. Freunde bezeichnen mich schon als Klaus Ernst des deutschen Fußballs und leiden an meiner Sprache. Doch ich kann nicht anders.
Als ich gestern gefragt wurde, was ich über den Auftritt meines Gegenkandidaten Wolfgang Niersbach auf dem Amateurfußballkongress des DFB in Kassel denke, schießt ein Satz aus mir heraus, den ich in den letzten Wochen schon Dutzende Male gesagt habe: "Das ist ein handfester Skandal!"
Da hatten sich von Donnerstag bis Samstag ausgewählte Vertreter des Amateurfußballs, Verbands- und Vereinsvertreter, versammelt, um über die Zukunft der kickenden Basis zu diskutieren. Wolfgang Niersbach war als Generalsekretär des Verbands an allen drei Tagen zugegen. Nicht nur die in Kassel versammelten Freunde des Fußballsports, ganz Fußballdeutschland hätte sich darüber gefreut, wenn Niersbach auch nur einen Ton über seine Ideen für die Zukunft des Verbandes gesprochen hätte. Das aber wollte er nicht.
arbeitet in der taz-Sportredaktion und kandidiert für das Amt des DFB-Präsidenten.
Er bleibt - wie oft habe ich das eigentlich schon gesagt? - die Katze im Sack. Und so hat er wieder über das Thema geredet, das ihm als einziges am Herzen zu liegen scheint: die Nationalmannschaft. Deren Manager Oliver Bierhoff durfte mit ihm auf die Bühne, und so erzählten zwei Großkopferte des deutschen Fußballs den wahren Fußballmachern des Landes, wie toll und wichtig die Eliteauswahl für Deutschland ist, wie schön es doch wäre, wenn die Deutschen den EM-Titel holen würden. Dann würde die Auswahl noch mehr Sponsoren anlocken.
Echte Basisförderung sieht anders aus
"Unser Team hat ein Wahnsinns-Ansehen in der Wirtschaft", sagte Niersbach am Samstag. "Und davon profitieren auch Sie an der Basis." Mit Zahlen untermauerte er das nicht. Er erweckte den Eindruck, der DFB päpple mit seinen Einnahmen die Basis regelrecht. Davon kann indes keine Rede sein. Ein Blick auf die Zahlen, die der DFB im September 2011 bei seiner Haushaltspressekonferenz veröffentlicht hat, reicht, um das Bild vom basisorientierten Verband zu zertrümmern.
Von den 177 Millionen Euro, die der DFB 2010 eingenommen hat, sind nur 25 Millionen an die Landesverbände und in Projekte für die Basis geflossen. 22 Millionen Euro haben die Profis der milliardenschweren Deutschen Fußballliga von den Einnahmen der Nationalmannschaft abbekommen. So regelt es der Grundlagenvertrag, den der DFB mit der DFL abgeschlossen hat. Echte Basisförderung sieht anders aus.
Kein Wunder, dass auf dem Amateurfußballkongress darüber beraten worden ist, wie sich höhere Mitgliedsbeiträge in den Vereinen durchsetzen lassen. Wolfgang Niersbach hat dazu nichts gesagt in Kassel. Er hat in beinahe unerträglich anbiedernder Herz-Schmerz-Rhetorik den Anwesenden zugerufen: "Unsere 25 Nationalspieler wurden in 65 verschiedenen Vereinen ausgebildet. Von Ihnen, von euch. Da geht einem das Herz auf."
Da bleibt mir einfach nichts anderes übrig, als in der von mir längst verinnerlichten Klaus-Ernst-Rhetorik zu antworten: "Für mich ist das nichts anderes als ein handfester Skandal."
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