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Kolumne Press-SchlagLoden-Kalle und die Schwadroneure

Kolumne
von Stefan Osterhaus

Bei seiner Kritik an den Kritikern erweist sich Karl-Heinz Rummenigge als Analytiker. Der Vorstandschef des FC Bayern ist ein diskursiv veranlagter Mann.

Das Rummenigge-Theorem: „Man muss einmal im Leben beim FC Bayern gespielt haben, dann ist man qualifiziert als Experte.“ Bild: dpa

J etzt, wo der Sommer sich unweigerlich dem Ende zuneigt und die Nacht schon am Abend ihr hässliches Gesicht zeigt, ist es an der Zeit, in den Kleiderschrank zu schauen. Der eine wird sicher ordentliche Wollmäntel zur Hand haben, robuste Kleidung für den Herbst und Winter, zweckmäßig, doch alles in allem nicht sonderlich elegant. Wie als sollen wir den Herausforderungen der Witterung angemessen begegnen?

Karl-Heinz Rummenigge, der gut aussehende Vorstandschef des FC Bayern, löst solche Fragen natürlich wie immer stilecht und souverän. Er schlüpft in den Lodenmantel, und wie jedes Jahr um diese Zeit verleiht ihm das Kleidungsstück wundersame Kräfte. Die Gedanken, die Rummenigge in manchen Augenblicken hegt, sind nicht immer leicht nachzuvollziehen. Aber das nimmt ihnen nichts von ihrer Brillanz.

Nachdem Loden-Kalle schon vor Jahren die weltweite Herrschaft der Scharia voraussah (die Fifa könne nicht „par ordre de mufti“ verfügen) und sich damit als echter, wenngleich dankenswerterweise bartloser Prophet erwies, hat er sich nun der Kritiker des FC Bayern angenommen – und für ein Lehrstück in der Unterscheidung von Selbst- und Fremdwahrnehmung gesorgt.

Rummenigge, ein diskursiv veranlagter Mann, der ganz im Gegensatz zu anderen Propheten nichts dagegen hat, wenn man ihn ablichtet, widmete sich Thomas Berthold der öffentlich den Frevel begangen hatte, Zweifel an der Transferpolitik der Bayern zu formulieren. Rummenigge aber konterte den Kritiker im Stadionheft seines FC Bayern München gnadenlos aus.

STEFAN OSTERHAUS

ist freier Journalist und gehört seit fünf Jahren zum taz-Sportteam.

„Martinez ist Gold wert“

Denn zum einem stellte er klar, was notwendig sei, um Kritik formulieren zu dürfen: „Grundvoraussetzung ist ja: man muss einmal im Leben beim FC Bayern gespielt haben, dann ist man qualifiziert als Experte.“ Doch dann setzte er sich auch mit dem Gehalt der Kritik auseinander: „Teilweise haben sich Analytiker in Sachen Martinez selbst analysiert. Der frühere Weltklasse-Fußballer Thomas Berthold, der zu seiner Zeit bei Bayern München die Massen in Ekstase versetzte, wusste am 27. August: ’Martinez ist zu teuer!‘ Fünf Tage später analysierte er seine Analyse und wusste plötzlich: ’Martinez ist Gold wert!‘“

Rummenigge gelingt hier in wenigen Sätzen Bemerkenswertes. Denn zum einen schafft er es, den Kritiker in einen unauflösbaren Widerspruch zu verwickeln, so dass das Ende der Auseinandersetzung zu Gunsten des Vorstandsvorsitzenden bereits jetzt abzusehen ist. Er müsste also gar nicht mehr nachlegen, um den Berthold und Co. den Knockout zu versetzen („Mich würde auch interessieren, was das Fanorakel von den Thesen Oliver Kahns hält.“).

Bajuwarische Fatwa

Nein, er bedient sich auch eines Motivs aus der Romantik, um die Absurdität der Anwürfe zu verdeutlichen: das des Doppelgängers. Denn Rummenige stellt, freilich nur indirekt, die Frage: Was würde wohl der Experte Berthold vom Experten Berthold halten? Die Antwort ist freilich schon gegeben – denn Rummenigge traut Berthold die Fähigkeit zur Selbsteinsicht nicht zu.

Andererseits hält er Berthold den Spiegel vor, was auch für andere Pappkameraden eine abschreckende Wirkung haben dürfte. Insofern hat Rummenigge zwar ganz bewusst keine bajuwarische Fatwa ausgesprochen, doch er hat verdeutlicht, was Schwadroneuren wie Berthold, Effenberg und Kahn blüht, wenn sie sich mit ihm anlegen. Und ganz nebenbei hat er noch eine verführerische Frage aufgeworfen: Was würde der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vom Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge halten?

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