piwik no script img

Kolumne Press-SchlagGeht heulen, ihr Bayern!

Kolumne
von Thomas Becker

Der FC Bayern gewinnt zum 25. Mal die Schale und versetzt München in – Agonie. Hallo? Freut sich da vielleicht mal jemand?

Mimimimimi, rotzrotz. Bastian Schweinsteiger Bild: dpa

M eister also. Ein bisschen peinlich war das den Münchnern schon. Also den Menschen, die in dieser Stadt leben, nicht den Kickern. Die haben keine Zeit, müssen schon wieder an Klopp und Aubameyang denken. An Messi und Neymar. Danach an CR7 und Bale. Und an Weltpokal, Super-Cup, Audi-Cup, Paulaner-Cup, Bade-Kapp und die nächste EM oder WM. Wenn man da zwischendrin mal wieder deutscher Meister wird, nimmt man das halt so mit, jedoch ohne vor Erregung und Ergriffenheit gleich rote Wangen zu bekommen.

Bastian Schweinsteiger ist jetzt acht Mal deutscher Meister, wie Oli Kahn und Mehmet Scholl. Er schoss auch das entscheidende 1:0 gegen die Hertha, aber wilde Weißbiergelage waren von den Bayern-Profis nicht zu erwarten. Da ist denen gar kein Vorwurf zu machen.

Genauso wenig wie den Münchnern. Als Gladbach Wolfsburg besiegt hatte und der 25. Titel fix war, machte ein TV-Team auf der Leopoldstraße, der amtlichen Fußballfeiermeile der Stadt, exakt fünf Bayern-Fans ausfindig, die Humba Humba Tätärä in die Kamera brüllten. Nicht auszuschließen, dass die jungen Leute vorab mit was auch immer gefügig gemacht wurden. Aber sie waren jung, und der Sender brauchte halt die Bilder. Und sonst? Gepflegte Sonntagabend-Wir-gucken-Tatort-Stimmung.

Wenn der FC Bayern deutscher Meister wird, löst das in München wenig bis nichts aus. Selbst wenn es ein Jubiläum ist: eine schön runde Zahl wie 25, was ausgerechnet Franz Beckenbauer in einen Zusammenhang mit der Silberhochzeit brachte. In Wolfsburg, Gladbach, Schalke und all den anderen Nicht-Meister-Städten würde man aus dem Feiern gar nicht mehr rauskommen. Nicht in München, dieser verdammten Sieger-Stadt. Erstaunlich, dass Loser-Klubs wie 1860 und Unterhaching überhaupt in der Stadt geduldet werden.

Charme einer alten Brezn

Meisterschaften, die lange vor dem letzten Spieltag entschieden sind, versprühen den Charme einer Brezn, die man zu lang liegen gelassen hat. Die letzten Titel holte Bayern mit 25 respektive 19 Punkten Vorsprung, nun sind es auch schon wieder 15 Punkte. Wie soll man da mitzittern, Daumen drücken, auch mal schlecht schlafen vor einem Spiel? Eben: gar nicht. Deshalb ist die Atmosphäre in der Allianz Arena oft so grausam blutleer. Wären da nicht die paar aufrechten Krakeeler in der Südkurve, man könnte fast die berühmte Stecknadel fallen hören.

Wie anders war da die Stimmung vor dem Rückspiel gegen Porto! Endlich war’s mal eng, stand der Erfolg nicht schon fest, drohte gar – oh weh! – ein Scheitern. So was kennt der Bayern-Fan ja gar nicht mehr, abgesehen von diesem Ausrutscher gegen Chelsea und dieser merkwürdigen gelb-schwarzen Phase. Jeder Münchner weiß noch, wo er 1999 das Last-Minute-Desaster gegen ManU erlitten hat, aber der Champions-League-Sieg gegen Dortmund? Hm. Oder die 23.Meisterschaft mit den 91 Rekordpunkten? Keine Ahnung.

Auch 2015 gibt’s wieder Rekorde: 21 Mal zu null gespielt, nur 13 Gegentore in 30 Spielen. Wie nett. Doch seit ein paar Jahren ist die Liga den Bayern nur mehr der Platz, wo Rekonvaleszenten Spielpraxis sammeln können – für die Königsklasse. Schade für die Schale. Sie hätte mal wieder einen Träger verdient, der sich auch über sie freut, sie fest in den Arm nimmt und nicht bloß neben Henkelpott und DFB-Pokal abstellt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Die Bayern spielen einen geilen Ball. Gute Kombinationen, viele und spektakuläre Tore. Weltklassespieler. Das Stadion immer ausverkauft. Macht Spass zuzuschauen. Tja, Thomas Becker, und spannend ist es hin und wieder auch. Und grausam und blutleer ist die Atmosphäre nicht mehr. Ich bin kein BayernFan, bestimmt nicht. Doch, zwei oder dreimal im Jahr.... wenn die Bayern gegen den BVBtazDortmund spielen. Morgen wieder Rudelgucken bei euch? Heya BVB? Putzt euch das Finale von der Backe! - UNVEU -

    • @RPH:

      Hehe...

  • Nö - gornet erst ignori'rn.

    • @Lowandorder:

      Gehts dir gut, halber Soldat?:)

      • @RPH:

        Hä ? - zur rechten wie zur linken -

        sah man eine halben Soldaten heruntersinken - so in etwa?

        RPH - iss nochmal wasfürn Dienstgrad -

        in Bayern?

        • @Lowandorder:

          Du schreibst soviel, da kannste dich nicht an alles erinnern :) dich soll der Blitz beim.... Mit Dienstgraden in Bayern kenne ich mich nicht aus. In NRW allerdings kommt nix drüber

  • Was genau will der Autor sagen? Dass ers blöd findet, dass die Bayern ihren 25. Meistertitel nicht feiern wie als sei's ihr erster? Mei, so ist das halt. Wenn der Autor erst einmal seinen 25. Theodor-Wolff-Preis gekriegt hat, wird er feststellen, dass er sich an die Umstände, wie er von seinem 23. Preisgewinn erfahren hat, auch nimmer so ganz genau erinnern kann. Und welchen Träger die Schale verdient hätte, entscheidet nicht der taz-Autor Thomas Becker. Sondern der Löwenfan Wolfgang Engel. Und der entscheidet hiermit dies: Verdient hätte die Schale der TSV 1860 München, und zwar einfach wegen Immer-noch-Daseins-obwohl-alles-so-schwierig-ist, und wegen Sich-irgendwie-Behauptens-im-Windschatten-der-Bayern, und wegen Überhaupt-einfach-der-einzige-Club-auf-der-Welt-Seins-der-Zuneigung-wert-ist.