Kolumne Pflanzen Essen: Drumrumessen als Dealbreaker
Dürfen in meiner Pfanne auch Steaks braten? Wenn es um die „Kontaminierung“ mit Tierischem geht, hat jeder Veganer eigene rote Linien.
N eulich im Restaurant. „Da kannst du doch drumrumessen“, sagte eine Freundin, auf deren Teller noch ein halbes Steak, Bratkartoffeln und Beilagen dümpelten. Das Reststeak sollte ihr Hund bekommen, die Veggies sollte ich vertilgen, denn Essen wegwerfen ist Mist. Finde ich auch. Allerdings schien ihr vollkommen zu entgehen, dass das Gemüse in rosa Rinnsalen aus Fleischsaft ertrank.
Das mit dem Drumrumessen ist so eine Sache unter Veganern. Die einen sagen: Klar, no problem, die anderen lehnen es grundsätzlich ab. Ich selbst mache es ab und zu und fühle mich dann stets ein bisschen wie Bill Clinton, als er in Bezug auf die Frage nach seinem Marihuanakonsum antwortete, er habe geraucht, aber nicht inhaliert.
Es macht mir zum Beispiel nichts, wenn ich bei Tapas und Wein zwischen Chorizo und Jamón Serrano die Oliven von der Platte picke. Oder wenn mir mein Vater ein Gemüsegericht in derselben (vorher gewaschenen) Pfanne zubereitet, in der er sonst seine Bratwurst brät. Aber bei Fleischsaft ziehe ich meine persönliche Reißleine, ebenso bei Pommes, die in Tierfett gebraten wurden.
Geht es aber nur um die hauchzarte Möglichkeit, dass winzigste Bestandteile vom Tier ganz vielleicht mein Essen berührt haben könnten, so zählt das für mich persönlich nicht als Dealbreaker. Mir ist es wichtiger, in einem Restaurant die veganen Optionen zu bestellen und somit eine gute Entwicklung zu unterstützen, als ein Riesenfass aufzumachen, warum denn nicht extra veganes Geschirr und Kochutensilien bereitstehen. Meine auf Pflanzen basierende Ernährung hat schließlich nichts mit einer Allergie zu tun.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.
Selbst für Hardcoreveganer ist es im Übrigen so gut wie unmöglich, eine „Kontaminierung“ zu verhindern, wenn sie außerhalb der eigenen vier veganen Wände essen gehen. Allein schon mit dem Auto oder dem Fahrrad (löblich!) zum Restaurant zu fahren, ist strengstgenommen nicht vegan. Denn die Gummimischungen von Reifen enthalten Stearinsäure, die meist aus tierischen Fetten hergestellt wird.
Ethische Puristen dürften zudem nur bei solchen Unternehmen Lebensmittel einkaufen oder essen gehen, die tatsächlich 100 Prozent vegan sind – nicht bei solchen, die lediglich vegane Optionen anbieten, oder solchen, deren Produktion eventuell Räumlichkeiten mit einem nicht veganen Unternehmen teilen. Im Alltag ist das so gut wie nicht machbar.
Außer, man lebt im Dschungel, sammelt Veggies und Früchte selbst und isst vorsichtig um die Käfer und Insektenlarven auf ihnen drumrum. Klingt allemal appetitlicher als Fleischsaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?