Kolumne Ökosex: Gabriel erhält Ökosex-Preis 2007!
Umweltminister Sigmar Gabriel wird in der Kategorie "politische Camouflage" ausgezeichnet, weil er es sich redlich verdient hat.
Weihnachten ohne Atom und mit akustischer Gitarre, das war klasse. Ich zupfte John Lennons "War Is Over, If You Want It", und die Kinder sangen unterm atomlos beleuchteten Baum. Ich musste ihnen vorher fest versprechen, zumindest während der Bescherung eine ganze Stunde lang nicht über irgendein beklopptes Ökosexthema zu reden. In meiner Weihnachtsansprache fielen dann doch leider die Worte "Vernichtungsfeldzug", "Wettbewerbskrieg" und "Glos mit Soß".
Das Bonmot des deutschen Wirtschaftsministers zu Brüssel, Auto und CO2 ist für mich als Emotional-Europäer ein Problem: Wenn ich nächste Woche meinen EU-Kollegen unter die Augen trete, was sag ich denn dann? "You know, the German minister means, that Brussel has started a destruction blitzkrieg battle war campaign against the German car industry." Ich bin mir nicht sicher, ob die Kollegen da ganz genau verstehen, was gemeint ist.
Eine ganz andere Sprache schlug da der Bundesumweltminister an. Er sprach bescheiden und unaufgeregt von einem "Wettbewerbskrieg" (competition blitzkrieg war), den Brüssel gegen die deutschen Autobauer führe. Auch darum sind Respekt und Bewunderung die Gefühle, die wir bei Ökosex für Sigmar Gabriel empfinden. Diese Jahresendkolumne ehrt den Bundesminister mit dem Ökosexpreis 2007 in der Kategorie "politische Camouflage" (französisch: Irreführung, Täuschung, Tarnung). Der Preis ist mit einem Weihnachtsmusikvideo dotiert, das bereits der Internetseite seines Ministerium überstellt wurde (www.mein-umweltblog.de).
Nun die Laudatio. Sigmar Gabriel denkt vom Ende her. Befragt zum neuen Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission, sagte er souverän im Morgenmagazin: "Wettbewerbskrieg". Er sagte: "Wettbewerbskrieg" gegen die deutsche Autoindustrie. Er sagte: "Wettbewerbskrieg" auch gegen den Polo und den Passat. Wettbewerbskrieg von Italienern und Franzosen. Er sagte: 120g/km CO2 sei gut. Aber Wettbewerbskrieg sei schlecht. Alle müssten was beitragen, auch die kleinen Franzosen und Italiener. Der Passat habe bereits eine Menge getan.
Da mussten wir doch lachen. Wettbewerbskrieg klingt wie Maschendrahtzaun. Warum denn wird sich Gabriel in Brüssel konsequent gegen anspruchsvolle CO2-Ziele für die deutsche Autoindustrie einsetzen? Warum macht er das? Weil er vom Ende her denkt. VW, BMW, Daimler werden jetzt nämlich erst mal beruhigt weiter ihre Spritschleudern bauen, bewerben und in den Showroom stellen. Und weil das so absurd ist, wird aus der Mitte der Gesellschaft eine gewaltige "Leck mich am Benz"-Bewegung entstehen. "Kein Auto über 100g/km" wird es heißen, und der Bundespräsident wird ein würdiger Schirmherr sein. Dann brechen die Verkaufszahlen der großen Kisten ein. Das führt bei der deutschen Industrie zur Katastrophe, zu einer Schockwelle, die wiederum beim deutschen Ingenieur eine reinigende Wirkung (Katharsis) auslösen wird. Danach Showdown im Showroom: 500 neue deutsche Modelle unter 80 g/km CO2, die Verkaufszahlen in ganz Europa explodieren, die Arbeitsplätze sind gerettet, und Sigmar Gabriels Plan ist aufgegangen. Eben vom Ende her gedacht.
Wie war es denn bei der Kohle? Erst des Ministers öffentliche Werbung für die "verrückte Idee" des CO2-freien Kohlekraftwerks hat dessen mangelnde Realisierungschancen so richtig bekannt gemacht. Warum hat der Bundesminister die Standortlisten von Greenpeace und dem BUND so lange dementiert und heruntergespielt? Legendär sein augenzwinkernder Kommentar zum Vorwurf, er verschleiere die Kohlekraftpläne der Industrie: "Dann muss ich die Liste mal prüfen lassen." Blinzel, blinzel. Genial: Gabriel wiegt die Kohle- und Autokonzerne in Sicherheit und geht scheinbar auf Wünsche ein. Damit aber bietet er uns, also der Gesellschaft, deren offene Flanke auf dem Silbertablett. Wir müssen nur noch im Dienste der klimapolitischen Vernunft und der solaren Effizienzrevolution zuschlagen.
Danke dafür und herzlichen Glückwunsch, Herr Minister.
Kolumne Ökosex: Gabriel erhält Ökosex-Preis 2007!
Umweltminister Sigmar Gabriel wird in der Kategorie "politische Camouflage" ausgezeichnet, weil er es sich redlich verdient hat.
Weihnachten ohne Atom und mit akustischer Gitarre, das war klasse. Ich zupfte John Lennons "War Is Over, If You Want It", und die Kinder sangen unterm atomlos beleuchteten Baum. Ich musste ihnen vorher fest versprechen, zumindest während der Bescherung eine ganze Stunde lang nicht über irgendein beklopptes Ökosexthema zu reden. In meiner Weihnachtsansprache fielen dann doch leider die Worte "Vernichtungsfeldzug", "Wettbewerbskrieg" und "Glos mit Soß".
Das Bonmot des deutschen Wirtschaftsministers zu Brüssel, Auto und CO2 ist für mich als Emotional-Europäer ein Problem: Wenn ich nächste Woche meinen EU-Kollegen unter die Augen trete, was sag ich denn dann? "You know, the German minister means, that Brussel has started a destruction blitzkrieg battle war campaign against the German car industry." Ich bin mir nicht sicher, ob die Kollegen da ganz genau verstehen, was gemeint ist.
Eine ganz andere Sprache schlug da der Bundesumweltminister an. Er sprach bescheiden und unaufgeregt von einem "Wettbewerbskrieg" (competition blitzkrieg war), den Brüssel gegen die deutschen Autobauer führe. Auch darum sind Respekt und Bewunderung die Gefühle, die wir bei Ökosex für Sigmar Gabriel empfinden. Diese Jahresendkolumne ehrt den Bundesminister mit dem Ökosexpreis 2007 in der Kategorie "politische Camouflage" (französisch: Irreführung, Täuschung, Tarnung). Der Preis ist mit einem Weihnachtsmusikvideo dotiert, das bereits der Internetseite seines Ministerium überstellt wurde (www.mein-umweltblog.de).
Nun die Laudatio. Sigmar Gabriel denkt vom Ende her. Befragt zum neuen Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission, sagte er souverän im Morgenmagazin: "Wettbewerbskrieg". Er sagte: "Wettbewerbskrieg" gegen die deutsche Autoindustrie. Er sagte: "Wettbewerbskrieg" auch gegen den Polo und den Passat. Wettbewerbskrieg von Italienern und Franzosen. Er sagte: 120g/km CO2 sei gut. Aber Wettbewerbskrieg sei schlecht. Alle müssten was beitragen, auch die kleinen Franzosen und Italiener. Der Passat habe bereits eine Menge getan.
Da mussten wir doch lachen. Wettbewerbskrieg klingt wie Maschendrahtzaun. Warum denn wird sich Gabriel in Brüssel konsequent gegen anspruchsvolle CO2-Ziele für die deutsche Autoindustrie einsetzen? Warum macht er das? Weil er vom Ende her denkt. VW, BMW, Daimler werden jetzt nämlich erst mal beruhigt weiter ihre Spritschleudern bauen, bewerben und in den Showroom stellen. Und weil das so absurd ist, wird aus der Mitte der Gesellschaft eine gewaltige "Leck mich am Benz"-Bewegung entstehen. "Kein Auto über 100g/km" wird es heißen, und der Bundespräsident wird ein würdiger Schirmherr sein. Dann brechen die Verkaufszahlen der großen Kisten ein. Das führt bei der deutschen Industrie zur Katastrophe, zu einer Schockwelle, die wiederum beim deutschen Ingenieur eine reinigende Wirkung (Katharsis) auslösen wird. Danach Showdown im Showroom: 500 neue deutsche Modelle unter 80 g/km CO2, die Verkaufszahlen in ganz Europa explodieren, die Arbeitsplätze sind gerettet, und Sigmar Gabriels Plan ist aufgegangen. Eben vom Ende her gedacht.
Wie war es denn bei der Kohle? Erst des Ministers öffentliche Werbung für die "verrückte Idee" des CO2-freien Kohlekraftwerks hat dessen mangelnde Realisierungschancen so richtig bekannt gemacht. Warum hat der Bundesminister die Standortlisten von Greenpeace und dem BUND so lange dementiert und heruntergespielt? Legendär sein augenzwinkernder Kommentar zum Vorwurf, er verschleiere die Kohlekraftpläne der Industrie: "Dann muss ich die Liste mal prüfen lassen." Blinzel, blinzel. Genial: Gabriel wiegt die Kohle- und Autokonzerne in Sicherheit und geht scheinbar auf Wünsche ein. Damit aber bietet er uns, also der Gesellschaft, deren offene Flanke auf dem Silbertablett. Wir müssen nur noch im Dienste der klimapolitischen Vernunft und der solaren Effizienzrevolution zuschlagen.
Danke dafür und herzlichen Glückwunsch, Herr Minister.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Kommentar von
Martin Unfried