piwik no script img

Kolumne Nullen und EinsenUnd jetzt alle!

Meike Laaff
Kolumne
von Meike Laaff

Nichts ist katastrophaler als ein Appell an die Menge. Dies ist ein Appell. An die Netzgemeinde. Oder die Zivilgesellschaft. Oder so.

Nicht so leicht zu bewegen: Menschenmassen. Bild: dpa

N iemanden könnte ich in eine stabile Seitenlage legen. Bei einer Herzmassage würde ich vollkommen versagen. Aber eines aus meinem Erste-Hilfe-Kurs habe ich mir gemerkt: Nichts ist katastrophaler als ein Appell an die Menge. Niemals höflich „Kann mal jemand einen Krankenwagen rufen?“ in eine Menge fragen. Um eine Horde Schaulustiger in Aktivposten zu verwandeln, muss man die Leute direkt ansprechen. Aufgaben verteilen. Sonst würden sie sich nicht zuständig fühlen.

225 Tage ist es her, seit Edward Snowden sein Enthüllungs-Sperrfeuer zum überwachten Internet eröffnete. Ich habe seitdem sehr häufig an meinen Erste-Hilfe-Kurs gedacht.

Denn nun wird ständig an digitale Mengen und irgendwelche Wirs appelliert. Jetzt müsse man doch mal. Gemeinsam. Hacker. Aktivisten. Blogger. YouTuber. Junge. Alte. Alle, die es immer schon gewusst haben. Alle, die sich von Post-Privacy-Aposteln zu Verschlüsselungs-Paulussen gewandelt haben. Sich wappnen, protestieren, Druck ausüben. Es ist ziemlich einfach, darüber zu schreiben, was passieren müsste, in Blogs und Gastbeiträgen.

Trotzdem ist, außer ein paar Cryptopartys, nicht viel passiert. Vor der NSA-Massendatenkarambolage stehen alle wie paralysiert. Die wenigen, die etwas tun, bleiben meist allein. Vielleicht ist es einfach eine Illusion, dass ein Ruck durchs Netz geht. Dass alle, die da vor sich hinwurschteln, aufhören, hauptsächlich rechthaben zu wollen. Und damit aufhören, sich nicht betroffen genug oder zuständig zu fühlen.

Nun hat Sascha Lobo in der FAZ mal wieder so ein verkapptes Müsste-man-mal-Stück abgeliefert. Nach wortreichen Ausführungen über kaputtes Internet und gekränkte Netzexperten endet auch sein Text mit der Aufforderung, es müsse ein neuer Internetoptimismus entwickelt werden. Von wem? Man müsste halt. Zivilgesellschaft. Netzgemeinde. Irgendwer kann da doch bestimmt. Oder so.

Evgeny Morozov, der alte Grantler

Am Mittwoch legte im selben Blatt Netzgrantler Evgeny Morozov nach. Er erfindet nicht nur das Wort „Cyberagnostizismus“, sondern fordert, „Milliarden in eine öffentliche Informationsinfrakstruktur“ zu investieren, um alternativen Diensten zu denen der Giganten aus dem Silicon Valley auf die Füße zu helfen.

Der Staat also soll’s richten – das grenzt den Kreis der Adressaten ja immerhin auf 193 weltweit ein. Allerdings kann man sich natürlich fragen, wie das Internet blühen und gedeihen soll, wenn lupenreine Demokratien wie Weißrussland oder Iran mal so richtig in die Informationsinfrastruktur ihrer Länder investieren.

Man kann sich fragen, ob ein Schlandnetz made in Germany es richten kann – besonders, wenn für das Thema Dobrindts zuständig sind oder Friedriche. Oder wer in den USA durchsetzen soll, dass die Regierung ein Netz bezahlt, das nach all dieser NSA-Spitzelei und Urteilen gegen Netzneutralität diesmal wirklich die Freiheit seiner Nutzer garantiert.

Dass das doch eigentlich gar kein Problem wäre, wenn endlich mal alle zusammen … Man müsste doch nur … Am besten erst einmal einen Text darüber schreiben. In dem steht, dass man eben mal müsste.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Meike Laaff
tazzwei-Redakteurin
Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • S
    Sascha

    Wie Lange wird das Thema noch auf dem rücken 11 vom NSU Ermordeter und deren Angehöriger durch vom Verfassungschutz gedeckte Neonazis ausgetragen ?

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    Haben sie den Beruf verfehlt, wie die meisten der Schreiberlinge hier? Oder soll diese taz-protegierte Produktion von Kommunikationsmüll das Sprungbrett ins "Kabarett für alle" werden?

    • @688 (Profil gelöscht):

      Hust. Ich fand den Artikel durchaus anregend. Kommunikationsmüll sieht anders aus, z.B. wie Abkanzelung. Sowas kann man(n) sich nämlich wirklich sparen, weil erstens zwingt Sie niemand hier zu lesen und wo bleibt das Besser-Machen? Ich fürchte sie haben sich in ihre Handlungsunfähigkeit gerade selbst entlarvt und als einer von vielen die es nicht ertragen, dass das Internet die Relevanz ihres Egos unterminiert und sie als das zeigt was sie wohl nicht abwenden können, nämlich die Einsicht, dass es eine ganze Menge heiße Luft gibt in den Gehirnen so einiger (Männer), auf der sich das Licht dann maximal bricht und eine Reflexion der eigenen Karikatur einer Äußerung hinterlässt...

      Aber sowas fällt ja normaler Weise auch nicht auf, nicht wahr?

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @688 (Profil gelöscht):

      "Wie großartig es wäre, wenn die Drohne in Pakistan sich weigerte, einfach loszufeuern."

       

      - Wie großartig / menschenwürdig wäre es, wenn die "Drohnen" der Medien sich weigern würden ..., und stattdessen ...!?

       

      "Moralische Wegfahrsperren" - die werden gestaltet mit der systematischen Bildung zu systemrationaler Suppenkaspermentalität auf stets zeitgeistlich-reformistischer Sündenbocksuche, für die Ursache aller symptomatischen Probleme unseres "Zusammenlebens", nämlich dem nun "freiheitlichen" Wettbewerb um ...!? ;-)

  • E
    emi

    eine idee warum sich die massen nicht zusammen tun: es geht uns halt noch zu gut. die menschen stehen doch wirklich erst auf wenn es an ihre existenziellen bedürfnisse geht. außerdem gibt es noch diesen allseits beliebten spruch: aber bei uns hier in de ist das doch nicht so schlimm wie in anderen ländern und bei diesen spruch könnte ich vor wut über so eine ignoranz mein gegenüber in der luft zerfetzen. also wir warten weiter ab, ist ja doch nicht so schlimm...

    • @emi:

      Und noch eine dazu. Wir tun uns nicht zusammen weil es verpönt ist, weil es ein Weniger an Privatsphäre bedeuten könnte, weil weniger Kühlschränke für jeden Einzelnen gebraucht werden könnten. Im Zusammenhang leben bedeutet nun einmal auch mehr von sich öffentlich machen und mehr auf andere zu reagieren, Individualität außerhalb von Abgrenzung zu ertragen. Und wer den großen Schatten thematisiert der die eigene wohlige Zusammenhangslosigkeit bedroht, was nichts anderes ist als der Wunsch eines Staates nach Aufhebung der Informations-Barriere, die sinnvolles Handeln Aufgrund von Wissen erschwert, nicht sieht das da der Staat das heimlich tut, was wir eigentlich öffentlich tun müssten, weil es schlichtweg nicht anders geht, wenn man Zusammenhang und Zusammenarbeit fordert, hat, mit Verlaub, einen Riss im Hirn. Also Raus aus der Isolation und Rein in vielleicht mal "Wir sind auch der Staat" rufen und überlegen wie so ein Netzwerk wie das Internet dabei helfen könnte, sich selbst zu organisierten ohne dass irgendwer im Schatten handeln müsste.

  • J
    Joss

    Die Texte generieren Einkommen, die Arbeit an der Sache nicht.

  • X
    XHQ8N-C3MCJJ-RQXB6-WCHYG-C9WKB

    "Um eine Horde Schaulustiger in Aktivposten zu verwandeln, muss man die Leute direkt ansprechen. Aufgaben verteilen. Sonst würden sie sich nicht zuständig fühlen."

     

    Nun-ja, dann stellt sich jetzt die Frage: Wer, Frau Laaff, "muss"-te denn nun Ihnen die "Aufgabe" übertragen, einen derartigen Propagandabeitrag zu verfassen, der die "Wirs" und Enschen im Grunde nur in ihrer 'bewußt' und längst(!) selbst gewählten Flucht in den Fatalismus bestärkt, festschreibt?

    Von einer vorgeblichen Fachfrau in Sachen: "Netzpolitik, -kultur" darf doch wohl getrost Substanziierteres erwartet werden – oder selbst: "paralysiert"?!

    So wird 's dann wohl bei der Lobo-tomie bleiben; mindestens allmonatlich synkopiert von den Standardaufrufen der ebenso US-servilen wie hilflosen Obersklavin Merkel:

    „Wir müssen alles tun, .... !“

    Und DAS ist dann bitte nur noch im direkten Wortsinn zu verstehen.

     

    Die/der Letzte Vollp-f-osten "muss" dann sowieso den Stecker des Quantencomputers ziehen, weil sich das nicht mehr, oder: nur noch selbst rechnet und sie/er nicht mehr für die EEG-Umlage aufkommen kann. Hätte Saschalein doch zumindest mal den einen oder anderen SF-Roman gelesen; Danke, bekannt: „Hätte, hätte, Fahrradkette.“

  • Wenns denn dann für den Unterhalt reicht. Ich würde dann auch Klopapier stiften, um das Müssen nicht zur Sauerei verkommen zu lassen, die man dann ewig mit sich rumträgt...

    • @Stefan Blanke:

      Ja, dann, dann, dann, wenn man sicht ärgert "warum erst jetzt" sagen zu können, oder es so lässt, weil diese Blöße sich zu geben dann doch arg peinlich wär...

       

      (PS. Die die derzeitige Kommentarfunktionssoftwareaussprägung taugt auch nix)

        • X
          XHQ8N-C3MCJJ-RQXB6-WCHYG-C9WKB
          @Stefan Blanke:

          ,

          @Stefan Blanke

          @Stefan Blanke

           

          What the BLEEP !

          • @XHQ8N-C3MCJJ-RQXB6-WCHYG-C9WKB:

            Vorgeschlage Deutungen (von dem was ich hier mache):

            1. Sind Assoziationen.

            2. Ist Okkultes Geheimwissen.

            3. Zu blöd die Kommentarfunktion vorausschauend zu benmutzen.

            4. Man kann seine Kommentare leider nicht editieren oder gar löschen.

            5. Wieder so ein hirnzerbröselter Seppel der leider Zugang zu einem Computer hat.

            • @Stefan Blanke:

              Wir können das übrigens auch gerne auf Facebook fortsetzen. Adresse gibt's auf meinem Profil hier, da hab ich dann auch alle Möglichkeiten an meinen Äußerungen zu feilen...

  • VK
    viele kleine praktische schritte

    Ich komme immer öfter in Büros in denen das Mitbringen von eigenen elektronischen Geräten untersagt ist. Einige meiner Freunde nutzen privat keine Mobiltelefone mehr und entfernen Batterie und Karte, wenn sie die Beruflichen ausschalten... Also der Umgang mit potentiellen Spionagewerkzeugen verändert sich immer mehr. Viele wechseln zu Internetprovidern, die ihre Server nicht in den USA stehen haben und deren Datenschutzregeln angeblich besser sind. Naja, immerhin diese kleinen Schritte welche die Zugriffsmöglichkeiten auf Daten und die eigene Privatsphäre reduzieren.