Kolumne Nebensachen aus Sydney: Vom Hass auf Frauen
Die australische Premierministerin erregt mit einem feministische Frontalangriff großes Aufsehen. Auslöser waren sexistische SMS des Parlamentspräsidenten.
A ustraliens erste Premierministerin Julia Gillard (Labor Party) hat noch nie so viel Aufsehen mit einer Rede erregt wie kürzlich mit ihrem Frontalangriff auf den konservativen Oppositionschef Tony Abbott. Dabei ging es vordergründig um den Parlamentspräsidenten, einem einstigen Abbott-Freund, der inzwischen die Regierung unterstützt. Er hatte einem Mitarbeiter sexistische SMS geschickt. Darin äußerte er sich abfällig über weibliche Genitalien. Abbott wollte dem Parlamentspräsidenten das Vertrauen entziehen lassen, um Gillard anzugreifen.
Doch die wehrte sich: „Der Oppositionsführer sagt, dass Menschen, die sexistische Ansichten haben und Frauenfeinde („misogynists“) sind, keiner hohen Ämter würdig sind. Ich hoffe deshalb, dass er einen Zettel nimmt, um darauf seinen Rücktritt einzureichen. Denn wenn er wissen will, wie Misogynie im modernen Australien aussieht, braucht er keinen Parlamentsantrag, sondern nur einen Spiegel.“
Das saß. Die rothaarige Gillard nannte daraufhin Beispiele, in denen sie in Abbotts Anwesenheit als Hexe oder Hure bezeichnet worden war, ohne dass er dies beanstandet hätte. Sie verwahrte sich deshalb dagegen, ausgerechnet von ihm über Misogynie belehrt zu werden. Das Wort, das ursprünglich Frauenhass bedeutete, dürften bis dahin viele noch nie gehört haben.
ist Asien-Redakteur der taz.
Gillards Rede zog unerwartete Kreise. Bei YouTube erreichte das Video inzwischen über zwei Millionen Aufrufe. Bald attestierten Umfragen der Premierministerin einen Popularitätssprung, wenngleich Kritiker ihr zu Recht vorwarfen, mit ihrer feministischen Breitseite ausgerechnet den frauenfeindlichen Parlamentspräsidenten gestützt zu haben. Doch der war dann trotz knapp gewonnener Vertrauensabstimmung nicht mehr zu halten.
Die konservative Opposition, die Gillard behandelt, wie sie es mit keinem männlichen Premier wagen würde, warf der kinderlosen und in „wilder Ehe“ mit ihrem Partner lebenden Premierministerin vor, das Wort Misogynie falsch benutzt zu haben. Denn Abbott sei verheiratet und habe drei Töchter. Schon deshalb könne ihm kein Frauenhass vorgeworfen werden.
Doch Gillard bekam Hilfe von unerwarteter Seite. Die Redaktion von Australiens wichtigstem Wörterbuch, „Macquarie“, kündigte eine Neudefinition an. Mysogynie sei demnach nicht mehr nur als „krankhafter Hass auf Frauen“ zu verstehen, sondern auch als „tief sitzender Vorbehalt gegen Frauen“.
In den vergangenen 20 bis 30 Jahren sei es insbesondere im feministischen Diskurs zu dieser neuen Verwendung des Wortes gekommen. Dem müsse ein Wörterbuch Rechnung tragen. Der in die Defensive geratene Katholik Abbot wusste sich darauf nur noch durch den Vorwurf zu helfen, Gillard könne überhaupt keine gute Politik machen, da sie keine Erfahrung mit der Erziehung von Kindern habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts