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Kolumne Nebensachen aus AthenMit Vitamin B in hohe Ämter

Einflussreiche Verwandte sind auch in Griechenland gut für den Karrierestart. Gerade in der Politik sind nicht wenige Dynastien zu beobachten.

Mit starken Eltern kommt man ganz nach oben, auch in Griechenland. Bild: wagg66 / photocase.com

A THEN taz Die neue griechische Regierungskoalition stellt unter Beweis, dass Politik am Fuße der Akropolis noch immer Familiensache ist – sehr zum Entsetzen vieler griechischer Wähler, die ihre politischen Dinosaurier und deren Nachwuchs endlich loswerden möchten.

„Erneuerung“ heißt offenbar für die Politiker des Landes vor allem eins: dass ihre Nichten, Neffen, Söhne oder Töchter ebenfalls Politiker werden und in Amt und Würden gelangen.

Bestes Beispiel: der neue Premier Antonis Samaras. Er ist Enkel und Neffe mehrerer hochrangiger konservativer Politiker. In die bewährte Tradition reihen sich Staatsminister Dimitris Stamatis (Sohn des Exministers Giorgos Stamatis), Vizeaußenminister Dimitris Kourkoulas (Bruder einer Abgeordneten und Familienfreund des Sozialistenchefs), Tourismusministerin und Ministertochter Olga Kefalogianni, sowie der stellvertretende Finanzminister Christos Staikouras, Sohn eines ehemaligen Büroleiters von Expremier Karamanlis.

Jannis Papadimitriou

ist taz-Korrespondent in Athen.

Der Journalist Simos Kedikoglou, dessen Vater bei den Sozialisten Karriere machte, ist jetzt Sprecher des konservativen Regierungschefs. In der Familie dürfte das kaum Enttäuschung auslösen, denn schon sitzt wieder ein jüngerer Cousin gleichen Namens für die Sozialisten im Parlament.

Ein Schelm, wer da denkt, die Politiker aus Familientradition würden über Beziehungen an ihre Ämter gelangen. Sie haben alle an den besten Hochschulen studiert und hatten zudem auch das nötige Quäntchen Glück, direkt nach dem Uni-Abschluss Spitzenjobs zu bekommen in einem Land mit einer Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent. Wer kann ihnen vorwerfen, dass sie einfach Glück gehabt haben?

Die ansonsten redseligen Politiker Griechenlands schwiegen bei diesem Thema vernehmlich. Eine mutige Ausnahme machte die frühere Außenministerin (Tochter eines konservativen Ministerpräsidenten) Dora Bakoyannis im Jahr 2009, als ihr Sohn für das Bürgermeisteramt der Stadt Karpenissi kandidierte. „Das ist doch ganz normal für ein Kind, das in einer politischen Familie aufgewachsen ist; genauso wie Anwaltskinder eben auch Anwälte werden“, erklärte sie in einem Interview.

Gegenkandidat Vangelis Karfis schäumte vor Wut: „Da kann man auch gleich erzählen, dass Arbeiterkinder eben Arbeiter werden und die Kinder von Arbeitslosen wohl am Ende auch arbeitslos sterben werden“, empörte sich der sozialistische Politiker. Die Wahl um das Bürgermeisteramt verlor er natürlich trotzdem.

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3 Kommentare

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  • KK
    Karl K

    @ von JANNIS PAPADIMITRIOU

     

     

    Wiewohl kein Herrentourist, freue ich mich, daß Geld offensichtlich im Straßenbau ankommt und wie wollte ich da einem Experten widersprechen.

     

    Der Klientilismus, das Bedienen ganzer Familien und Clans,  läßt sich aber, wenn ich den griechischen Wirtschaftsexperten - wie sie auch und gerade in der taz kolportiert wurden - trauen darf, im übrigen aber kaum in Abrede stellen. 

    Das geht nicht nur über die direkte Geldschiene, sondern auch und vor allem - wie auch in Ihrem Beitrag insinuiert - über die Postenwirtschaft und deren gezielten Ausweitung zum Wohle der Familie, der eigenen Klientel.

    Auch so läßt sich klandestin Geld verbraten. 

     

    Dachte ich z.B.,  Deutschland habe die höchste Richterdichte, wurde ich zu meiner nicht gelinden Überraschung eines besseren belehrt, daß Griechenland mit deutlichem Vorsprung Spitzenreiter in Europa sei.

    So geht das. Und nicht nur dort.

  • KK
    @Karl K.

    Es mag ja sein, daß Gelder veruntreut werden - wobei sicherlich 2 MRD an deutschen Bestechungsgeldern den Hauptanteil ausmachten - allerdings ist es durchaus nicht so, daß überhaupt nichts angekommen wäre.

    Allein die Autobahn quer durch Nordgriechenland, von der türkischen Grenze bis nach Albanien, bzw. Igoumenitsa, die mit 120 neuen Tunneln und Brücken von allen Nachbarländern fleissig genutzt wird, spricht ein andere Sprache und sie war trotz allem immer noch billiger als Stuttgart21.

    Ebenfalls kann der Herrentourist inzwischen fast überall - und sei es auf der kleinsten Insel - über frischen Asphalt zu den schönsten Stränden mit seinem Leihwagen gurken, wo früher einfach nur löchrige Kiespiste war und diese Strecken müssen ständig repariert werden, wegen Steinschlag, Unwetter und hohen Temperaturen, das passiert immer noch und auch neue Autobahnen wie z.b. auf dem Peloponnes werden gebaut. Die Finanzierung dazu läuft üblicherweise - genau wie in anderen südeuropäischen oder touristischen Ländern - zu 75% aus EU-Fonds.

    Das Hauptproblem ist allerdings, daß diese Projekte, nachdem sie mit griechischen und europäischen Steuergeldern gebaut wurden, an Hoch-Tief, Strabag und Konsorten "privatisiert" werden, die dann dafür ständig steigende Mautgebühren kassieren oder einfach mittendrin neue Mautstationen installieren und die Ab-und Auffahrten zu den alten, kostenlosen Landstrassen verbarrikadieren, während die weiterhin staatlichen Strecken sogar mit Hinweisschildern zu maut-freien Strassen ausgestattet sind.

  • KK
    Karl K

    Einmal - Ein Mann - von Oriana Fallaci lesen, das reicht um die Familienclans zu verstehen.

    Aber - wieso Nebensache?

     

    Es ist der Urgrund der schon so lang bestehenden griechischen Misere.

    Ein osmanischen Verhältnissen Ehre machender Nepotismus.

    Wonach gar nicht auf die Idee gekommen worden ist und wird (!?), daß EU-Gelder für anderes vorgesehen seien könnten, als sie sich in die eigene Tasche und en familie zu stecken.

    Eine Klientel, die sich jetzt darüber den Bauch vor Lachen hält, daß ihr des ungeachtet nochmals 100 Milliarden postanal verabreicht werden qua Schuldenerlaß.

    Zur Abrundung lassen sie noch das Prekariat die dünne Suppe der Misere auslöffeln.

     

    Zi, zi, zi! Er lebt, er lebt, er lebt!

    Alekos Panagoulis. Es ist mal wieder Zeit, für deinen Marsch der Abgehängten!

    Sie würden nicht zögern, dich umzubringen. Du weißt das. 

    Es hat ja - anders als bei deinem Attentat auf Papadopoulos - schon einmal geklappt.

    Zu tief sitzt die räuberische Angst der

    selbstherrlichen Familien.