piwik no script img

Kolumne NachbarnIch hoffe, ich werde kein Roboter!

Kefah Ali Deeb
Kolumne
von Kefah Ali Deeb

Sich einen Lebensunterhalt verdienen und gleichzeitig auf die Gesundheit achten, ist schwer. Unsere Autorin befürchtet, zum Roboter zu werden.

Hauptsache funktionieren und nur nicht verzweifeln: Dauerhaft aushalten kann das kein Mensch Foto: Rock'n Roll Monkey/Unsplash

V or vier Jahren, als ich noch als neue Geflüchtete in Deutschland galt, veranstaltete eine deutsche Zeitung ein Interview und eine Diskussionsrunde mit mir. Ein Teilnehmer fragte mich: „Was wünschen Sie sich für die Zeit in fünf Jahren?“ Ich antwortete: „Sollte ich dann noch in Deutschland sein, wünsche ich mir, dass ich nicht zu einem gefühllosen Roboter werde. Denn mir graut es vor der Routine, und wenn die Tage alle gleich sind, zermürbt mich das.“

Damals wollte ich nur als Schriftstellerin und Malerin tätig sein. Doch bald stellte ich fest, dass ich davon weder leben noch vom Jobcenter unabhängig werden konnte. So begann ich, mir eine andere, dauerhafte Tätigkeit zu suchen. Nach wenigen Monaten fand ich eine feste Vollzeitstelle bei handbookgermany.de. Ich war darüber sehr glücklich, besonders weil handbookgermany.de zahlreiche Dienste und Informationen für Flüchtlinge und Migranten anbietet, damit sie sich im Leben und mit den Gesetzen in Deutschland zurechtfinden. Mir hat das geholfen, mich vom Jobcenter zu emanzipieren, selbst für meinen Sprachkurs aufzukommen und meine Freiheit zu leben.

Doch dieses Gefühl war leider nicht von Dauer. Nach weniger als einem Jahr begannen sich alle Tage zu gleichen, und die Routine gewann allmählich die Oberhand. Meine finanzielle Unabhängigkeit wurde mir zu Last, weil ich seitdem weder male noch schreibe, bis auf diese Kolumne.

Ununterbrochen arbeiten, nicht verzweifeln

Was tun? Die Auswahlmöglichkeiten waren begrenzt: Entweder arbeitete ich Vollzeit, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen, oder ich schrieb und malte und war womöglich auf staatliche Hilfe angewiesen, was ich keinesfalls wollte, auch nicht für eine begrenzte Zeit. Ich ärgerte mich schon reichlich, wenn ich Sätze hörte wie: „Flüchtlinge arbeiten ja nicht und liegen dem Staat auf der Tasche.“ Das strapazierte meine Psyche ungemein. Am Ende entschied ich mich dafür, weiterzuarbeiten und nebenbei Dinge zu tun, die mir Freude bereiten. Ich bot Schreibworkshops für geflüchtete Frauen an, die großartige Ergebnisse erbrachten. Einige Texte dieser Frauen wurden veröffentlicht.

In diesem Kreis bewege ich mich nun seit drei Jahren: Vollzeitarbeit, Schreibworkshops für geflüchtete Frauen und Führungen für Flüchtlinge in den Berliner Museen im Rahmen des Projekts „Multaka: Treffpunkt Museum“. Damit habe ich zwar viel Arbeit und bin den Geflüchteten sehr nah, doch andererseits entfernt es mich vom Malen und Schreiben. Eigenes kreatives Schreiben ist dann bekanntlich doch anders als das Leiten eines Schreibworkshops.

Heute weiß ich nicht genau, ob ich doch ein Roboter geworden bin, wie mir mein Partner neulich andeutete. Ununterbrochen arbeiten und nicht verzweifeln: weder an den eigenen Körper, noch an die eigene Psyche denken.

Übersetzung: Mustafa Al-Slaiman

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Kefah Ali Deeb
Kefah Ali Deeb wurde 1982 in Latakia, Syrien, geboren und ist 2014 nach Berlin geflohen. Sie ist bildende Künstlerin, Aktivistin und Kinderbuchautorin, außerdem Mitglied des National Coordination Committee for Democratic Change in Syrien.  
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Zitat: „Heute weiß ich nicht genau, ob ich doch ein Roboter geworden bin, wie mir mein Partner neulich andeutete.“

    Oh, ich bin ziemlich sicher, werte Kefah Ali Deeb: Sie sind kein Roboter geworden. Denn erstens ärgern sie sich noch (z.B. über ihren Partner) und zweitens hinterfragen Sie sich ab und an. Und andere auch. Roboter tun so etwas nicht. Sie spulen bloß ihre Programme ab.

    Ihr Problem ist wohl eher, dass sie zu wenig Roboter sind. Ihre Angst vor dem immer Gleichen, das Sie auf Dauer sowohl über- als auch unterfordert, hat sie offenbar (teilweise) blind gemacht für die Details ihres Alltags. Einem Roboter wäre auch das nicht passiert. Der fürchtet sich nicht.

    Menschen, die das Gefühl haben, sie würden „ununterbrochen arbeiten“ und nicht genug „an den eigenen Körper, [...] die eigene Psyche denken“, verzweifeln vermutlich vor allem daran, dass sie weder ganz Tier noch ganz Technik sein können, sondern „nur“ Mensch – irgendwas zwischen einem rein rationalen und einem rein emotionalen Geschöpf. Sie wissen schlicht nicht wie das geht: Mensch zu sein.

    Wenn Menschen nicht beides zugleich haben können, Verstand und Gefühl (also Vernunft), stresst sie das sehr. Aber keine Angst: So schwer ist das nicht. Es ist nicht so wichtig, immer an der richtigen Stelle „Nein“ oder „Ja“ zu sagen. Es gibt keine richtigen Stellen. Wichtig ist nur, dass Sie sich selbst erlaubt haben zu tun, was sie grad‘ tun. Und da klemmt es ganz offensichtlich noch ganz gewaltig.

    Sie stehen sich selber im Weg. Die Möchtegern-Künstlerin hadert mit der Vollzeit-Angestellten. Sie glaubt wohl, sie sei etwas besseres. Das finde ich nicht. Das, was Sie tun müssen, hilft sehr vielen Menschen. Das, was Sie tun wollen, hilft ihnen allein. Beides zusammen wäre perfekt. Kriegen Sie‘s hin!

    Vor vielen Jahren hat mir mal jemand, der mich ganz schlecht kannte, vorgeworfen, ich könnte nicht „Nein“ sagen. Das ist widerlegt, schätze ich. Ich bin schließlich Mensch.