piwik no script img

Kolumne Nach GeburtSchlafen als Währung

Laut einer Studie dauert es nach der Geburt sechs Jahre, bis Eltern wieder so schlafen wie vorher. In Wirklichkeit ist es viel schlimmer.

Schlafen ist bei uns ein Streitthema: Wer hat wie viel? Wer schuldet wem noch was? Foto: dpa

B is zu sechs Jahre dauert es nach der Geburt, bis Eltern wieder halbwegs so schlafen wie vorher. Das haben britische Wissenschaftler*innen herausgefunden – aus deutschen Qualitätsdaten übrigens. Wertarbeit und so. Da passt jede Antwortschraube. Das muss stimmen.

Mütter schlafen in den drei Monaten nach der Geburt durchschnittlich eine Stunde weniger. Männer nur 13 Minuten. Aber – wie gesagt – nach sechs Jahren ist ja alles wieder halbwegs normal.

Ein paar ausgewählte Schlagzeilen zu dieser Meldung: „Schlafmangel durch Babys – so sehr leiden junge Eltern“ (NRZ), „Kinder rauben Eltern den Schlaf“ (WDR) oder – wie es L’Essentiell aus Luxemburg formuliert – „Nach der Geburt wird sechs Jahre gelitten“.

Raub? Leid? Ich sehe mir die Zahlen aus der Studie an und denke: Sechs Jahre – geht doch. Ja, ich weiß, es ist unfair, dass es Frauen härter trifft. Und was das frühe Aufstehen angeht, habe auch ich mit Sicherheit kein Bundesverdienstkreuz verdient. Aber: Laut Studie schlafen ja auch Mütter, sobald die Kinder vier Jahre alt sind, im Schnitt nur noch 20 Minuten weniger als vor der Geburt. Das würde meine Freundin sofort nehmen. Sagt sie.

Schlafen als Währung

Denn in Wirklichkeit ist es viel schlimmer. Schlafen ist bei uns zu Hause zu Streitthema und Währung geworden: Wer hat wie viel? Wer schuldet wem noch was? Und warum stehst du nicht mal früh auf, du Idiot? Judith Holofernes hat darüber vor ein paar Jahren ein schönes Lied geschrieben: „Du fragst, wie hast du geschlafen. Ich sag, weniger als du. Du sagst, weniger als gar nicht. Aber ich hab schon die Augen zu.“

Es ist aber auch fies: Tochter eins pennt schnell ein (gut), wacht aber dann vor 6 Uhr auf (schlecht). Tochter zwei hingegen labert einem abends noch ’ne Frikadelle ans Ohr, wie es gerade bei Skye und Zuma und Chase läuft (siehe: „Paw Patrol“), schläft aber dafür am nächsten Morgen, bis man sie weckt. Beide gehen übrigens zeitgleich zu Bett. Denselben Rhythmus aufzwingen? Am Arsch.

Und das alles soll nach sechs Jahren vorbei sein? Das kauf ich euch nicht ab, britische Wissenschaftler*innen. Wenn es so weiterläuft wie bisher, werden wir Tochter zwei morgens um viertel vor acht im Schlafanzug in die Schule tragen müssen, während Tochter eins schon zur nullten Stunde hinwill (Alt­griechisch oder Hebräisch als Wahlfach).

Geht es nach Tochter eins, sollte unser Leid übrigens noch verlängert werden. Sie ist ihrer aktuellen Schwester überdrüssig. Spiel durchgespielt. „Kann Papa nicht nochmal einen Samen in deinen Bauch machen?“, fragte sie deshalb vor Kurzem meine Freundin. Wirklich. Genau so. Ich weiß auch nicht, wieso sie so gut aufgeklärt ist. „Da müssen wir Papa fragen, ob der das auch will“, antwortete meine Freundin. Tochter eins: „Papa will immer.“

Auch dazu hat Judith Holofernes in ihrem Lied die passenden Zeilen: „Du sagst, ich säh doch toll aus. Ich sag, Mann, lass mich in Ruh'. Ich sag, ich bin so müde. Du sagst, ist dir recht.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Das hätte ich mal früher wissen sollen!!!

    Zu meinem großen Bedauern standen mir nach der Geburt meiner Tochter die Daten der britischen Wissenschaftler*innen nicht zur Verfügung. Dann hätte meine Schlafrealität sicherlich anders ausgesehen.

    Meine erfahrungsgestützte Meinung zum Thema: der Schlaf desjenigen Elternteils ist mehr in Mitleidenschaft gezogen, der eine geringere Schlaftiefe aufweist.

    Mein Nähkästchen sagt: als besorgter Vater war ich häufig schnell wach, wenn unsere Kleene sich meldete. Und zeigte ihr Details der nächtlichen Wohnung - während die Mutter selig schlief.

    Scheiß Statistik.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Anreicher - Glaube Lüge Statistik - gern

      Jau. Kiddies dero zwei - erste Runde.



      Je 3 Jahr - zur 4 Uhr-Milchtrittstunde.



      Ha no. Vaddern dann die Flasche gab.



      Ha noi. Muddern tief genoß den Schlaf.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Erstens: Glauben Sie, das überrascht mich?



        Zweitens: Haben Sie mitbekommen, dass die Kiddies mittlerweile groß sind?

        Oder - drittens: die innere Uhr nicht mehr peparabel? ;-)

        • @76530 (Profil gelöscht):

          Nö. Mehr so semi-permeabel - Gelle.

          Zuvor - 1 1/2 Jahre die Brust.



          (Sonst hätte mein grad 80.Bruder nur Magermilch bekommen). & Däh! 2x + +



          Also mehrfach getriggerte Naturkonstante. Wollnichwoll.



          Schlaf aber prima danach wieder ein.



          💤 - Metronome;)

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @Lowandorder:

            Ich sollte mir ein wenig mehr Zeit beim Tastendrücken lassen ... oder einen IT-Spezialisten anheuern ... zum Installieren eines Programms für die vielen schönen Zeichen ...

            Unsere Grafikerin aus dem Vorderallgäu hat das auch in ihrem Repertoire. ;-)

  • Klar - “Schlafen als Währung“

    Nò. Völlig überbewertet. Liggers.



    “In Wirklichkeit ist es viel schlimmer.“