Kolumne Nach Geburt: Nein heißt nein heißt nein heißt nein
Die eine Tochter lehnt mich ab, die andere rastet ständig aus – und dann verhöhnen sie mich auch noch. Das Leben als Papa ist schwer.
K rieg ich einen Kuss?“, frage ich.
„Du nicht“, antwortet Tochter zwei.
Diese Klarheit in der Aussprache ist erstaunlich. Sagt sie doch sonst Dinge wie „Sugsack“ (Rucksack) oder „Lafat“ (Schlafsack). Laufen kann sie auch noch nicht.
Meine kleine Tochter kriegt also nicht allzu viel auf die Kette, nur ihre Ablehnung kann sie in allen Facetten zum Ausdruck bringen.
Als meine Freundin vor Kurzem auf dem Sofa saß und einen Knopf annähte (ja, wir sind eine Familie aus dem 17. Jahrhundert), rotzte Tochter zwei ihr beim Vorbeikrabbeln ein „So was Dummes“ hin.
Wieder: Vollkommen klar, kein Aussprachefehler, astreines Superdeutsch.
Warum kann die das?
Sicher, inhaltlich verstehe ich ihre Kritik an der Reparatur, an dieser ewigen Nutzung von Kleidung, die der Binnennachfrage schadet. Ihr geht es darum, den Konsum anzukurbeln. Sie schaut auf die Arbeitsplätze. Brauchen wir einen neuen Kapitalismus? Nein, sagt sie, wenn, dann brauchen wir ein besseres Konsumklima. Mehr kaufen, mehr Nachfrage, mehr Arbeit. Wie sollen wir sonst die Maastricht-Kriterien einhalten? Wie können wir noch Vorbild sein – für Europa und für nachfolgende Generationen?
Kann man drüber streiten.
Doch warum kann sie so gut „Du nicht“ oder „So was Dummes“ sagen, aber nicht „Ich hab dich lieb“ oder „Papa, starker Text, danke dafür“ oder irgendwie so was.
Gebe ich ihr einen Kuss, ohne vorher zu fragen, sagt sie: „Bitte nicht.“ Ganz deutlich. Ich will ja nicht übergriffig sein. Ich möchte doch nur geliebt werden.
Richtig lieb ist sie eigentlich nur zu ihrem Opa, zu meinem Vater. Ich sage ihr dann, dass der mich früher immer verarscht hat. Außerdem gab es zu wenig Taschengeld und ich durfte nie fernsehen. Er hat sogar manchmal die Internetverbindung gekappt und mich noch nicht mal beim Tischtennis gewinnen lassen!!!
Interessiert sie nicht. Mein Feind ist ihr Freund.
Das tut weh. Ich armer, armer Papa.
Na ja, dafür hat man ja zwei Kinder. Also widme ich mich Tochter eins. Die ist eigentlich eh knuddeliger. Das Problem: Sie und ihre imaginären Freunde stecken gerade in einer Art ersten Pubertät. Mit drei. Alles ist Mist. Erst den rechten, dann den linken Schuh angezogen? Sie rastet aus. Zahnpasta nicht korrekt auf der Zahnbürste? Sie rastet aus. Die Erdbeeren gibt’s im Laden nur in der Schale und nicht in ’ner Tüte? Sie rastet aus. Darf ich das Handy haben? Nein. Darf ich das iPad haben? Nein. Sie rastet aus. Mama soll vorlesen, Papa soll vorlesen, beide sollen vorlesen, keiner soll vorlesen, Licht an, Licht aus, hierbleiben, rausgehen – alles machen wir falsch. Sie hasst plötzlich sogar die Butter! Weil durch sie alles „buttrig“ würde.
Und abends in der Badewanne sagt Tochter eins dann: „Das war ein so schöner Tag, Papa.“ Und Tochter zwei: „Söner Tag.“
Jetzt verhöhnen die mich auch noch, denke ich, und flehe: „Bitte nicht.“
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