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Kolumne MittelalterDas globalisierte Bordell

Ambros Waibel
Kolumne
von Ambros Waibel

Worüber wir reden und was wir wann senden, sagt mehr über unsere Zeit als der Koran und „Mein Kampf“ zusammen.

Blonde Frauen wehren sich gegen arabische Horden - so vielleicht? Foto: dpa

W ährend die Schändung deutscher Frauen durch nordafrikanisch-asiatische Horden auch am Montagabend im deutschen TV wieder zur Primetime diskutiert wurde, mussten die körperlich wie seelisch schwerverletzten rumänischen sechzehnjährigen Zwangsprostituierten in Berliner Bordellen noch ein wenig warten.

Die ursprünglich im Ersten auf dem attraktiven 23.10-Uhr-Sendeplatz platzierte Reportage „Ware Mädchen – Prostitution unter Zwang“ wurde nochmal um zehn Minuten nach hinten geschoben; schließlich war David Bowie gestorben – und seiner galt es nicht zuletzt als sexuelle Zwangsgrenzen sprengender Ikone gebührend zu gedenken.

Nun ging es in der Reportage von Nadya Luer und Jo Golla eben auch nicht um eingewanderte Täter, sondern um importierte Opfer. Auch die rumänischen Menschenhändler waren so banale wie christlich-orthodoxe Menschen, und wenn die in dem Beitrag geschilderten Verbrechen einer blond-deutschen Sklavenhalterin nur mit einer Bewährungsstrafe geahndet wurden, dann wird man die Kölner Täter kaum härter belangen können.

Also Business as usual in einer globalisierten Welt, auf die wir als Exportnation nicht verzichten wollen; in einer umkämpften Republik, die nun so langsam – diese Kolumne heißt Mittelalter – in die einst in den langweiligen 1980er Jahren vom Feuilleton heiß ersehnten Weimarer Zustände abzudriften scheint. Die Zeit der Kuscheldebatten um Klimawandel, Energiewende und Literaturkanones scheint ihrem Ende zuzugehen. Klare Worte sind gefragt, Freund-Feind-Denken – und immer eine Hitlergrußlänge Abstand halten.

Moralischer Disclaimer

Wenn es um klare Worte zur Lage ging, wurde früher gern das „Hic Rhodus, hic salta“ zitiert. Dieses Sprüchlein aus einer alten Fabel will sagen, das man hier und jetzt beweisen möge, was man draufhat und zu sagen hat, und nicht erst dann, wenn der Sturm vorübergezogen ist.

Daran musste ich denken, als mir bei gleich mehreren – und nicht ohne Gewinn gelesenen – Texten zu Köln die Wendung auffiel, dass man nun „natürlich“ müsse fragen dürfen, „ob das Frauenbild in Teilen der sogenannten islamischen Welt ein problematisches Verhalten Frauen gegenüber begünstigt“ (Khola Maryam Hübsch in der taz) beziehungsweise dass man jetzt „natürlich über Geschlechterordnungen in arabischen und nordafrikanischen Ländern sprechen“ müsse (Margarete Stokowski im Spiegel): und man es dann aber nicht tat, sondern es wie einen moralischen Disclaimer stehen ließ.

Ich weiß gar nicht, ob man darüber sprechen muss – vor meinen Augen stehen noch die christlichen Menschenhändler mit EU-Staatsbürgerschaften. Aber wenn man es „natürlich“ muss – dann jetzt. Dann muss man unbequeme Forderungen aufstellen, erzieherische Forderungen wohl vor allem. Und Geld in die Hand nehmen. Und vor allem den guten alten Koran mal Koran sein lassen. Es ist nur ein Buch, von toten Menschen für tote Menschen geschrieben wie die Bibel oder „Mein Kampf“. Unsere Probleme entstehen in unserer Zeit, in dieser einen, grenzenlosen Welt.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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3 Kommentare

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  • Es geht hier nicht um Lösungen. Es geht um Probleme. Und Probleme, die gelöst werden, ermöglichen keine Anschlusshandlungen. Auch geht es nicht um Konsens, sondern um Dissenz. Und um das Weitermachen, auch wenn man sich erst einmal nicht einig ist, wie es weiter gehen soll. Und wenn man sich immer einig wäre, lägen z. b. die Scheidungsraten erheblich niedriger.

    Aber mal im Ernst: Im ersten deutschen Herbst wurde eine kleine Verbrecherbande von einem Staatsapparat gejagt, der 100.000 Mann und mehr dafür aufbrachte. Recherchieren Sie mal, wie die Dienstbesetzung der Bahnhofspolizei Köln aussieht. Und wie viel Polizei zusammen gezogen wird, wenn Castor-Transporte anstehen. Dämmert es?

    Und wozu haben wir Nachrichtendienste? Damit den Akteuren in Connewitz Klarnamen und Einsatzpläne zugespielt werden können? Damit V-Leute mit dem Sold, den sie erhalten, nebenbei ihre vaterländischen Vereine aufbauen können?

    Der Fisch beginnt, am Kopf zu stinken. Statt unsere Jungs am Hindukusch für nichts und wieder nichts zu verheizen, sollte man vor unserer eigenen Haustüre kehren. In Amerika gibt es so etwas wie Nationalgarde. Wir haben immerhin Bundespolizei. Fangt mal an mit der Umstrukturierung, ihr da oben. Und wenn schon nicht Lösungen, dann immerhin Problemlösungen.

  • Ich wage mich mal im Namen aller integrierten Migranten zu sprechen. Ich bin der Meinung für Integration und auch gegen Fremdenfeindlichkeit wird genug getan. Was uns aber fehlt, ist der Unterschied der gemacht werden müsste, zwischen den guten und den schlechten. Wir leben in einem Staat der seine Antworten in sehr friedlichen Zeiten für teilweise sehr kriegerischen Menschen gesammelt hat. Entweder dürfen wir diese Menschen nciht aufnehmen. Was nahezu unmöglich ist, weil man es ihnen nicht so leicht ansieht. Oder aber man müsste sich der Härte von diesen wenigen anpassen. Das geht aber leider mit beschittenen Freiheitsrechten einher. ...Ein Teufelskreis.... ich bin auch ratlos.

  • Schön wäre natürlich, wenn hin und wieder auch einmal eine Lösung in Sicht käme. Ich sehe wenig, was sich anbieten würde.