piwik no script img

Kolumne MännerDer Date Doktor

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Sind sie eine Mann mit einem Durchschnittsgesicht und suchen eine Frau? Dann stehen Sie vor einer schrecklichen Entscheidung.

E s war einer dieser Abende, wie sie jetzt wieder häufiger werden. Die Sonne hatte noch keine Lust zu gehen, mein guter Freund und ich hingegen waren schon da. Wir wurden von zwei Bieren am Leben er-, von Gartenstühlen ge- und von Passanten unterhalten, deren dünne Kleidung anscheinend den Frühling herbeizwingen sollte. Der perfekte Abend also, um über Grundsätzliches zu reden. Über Männer, Frauen und das Gesundheitssystem.

"Britische Wissenschaftler haben herausgefunden", dozierte ich, "dass Frauen in Ländern mit schlechter Gesundheitsversorgung Machos bevorzugen." Ich nahm einen Schluck Bier, um meinem Freund Zeit zu geben, diesen Satz sacken zu lassen. Er schüttelte langsam den Kopf und sagte enttäuscht wie ein evangelischer Pfarrer: "Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, das bescheuert zu finden."

"Wieso?", frage ich. Er: "Na, wie misst man denn Machotum?" Ich legte dem erzürnten Freund einen Artikel hin. Darin stand sinngemäß: Bei einer Befragung mussten sich mehr als 4.500 weiße Frauen aus 30 Ländern zwischen zwei Bildern entscheiden. Auf dem einen war die kantigere Version eines Männergesichts zu sehen, auf dem anderen war dasselbe Antlitz runder dargestellt. Arnold Schwarzenegger gegen Oliver Pocher sozusagen. Das Ergebnis: "Je niedriger der von den Vereinten Nationen angelegte Gesundheitsindex NHI eines Landes war, desto mehr zogen die Frauen einen kantigen Kerl einem eher weiblich aussehenden Mann vor."

Bild: taz

Matthias Lohre ist Parlamentskorrespondent der taz.

Die nun eintretende Stille müssen Sie, lieber Leser und liebe Leserin, sich als möglichst unangenehm vorstellen. Mein Freund und ich hätten einander in dieser schweren Stunde versichern können, dass diese Befragung der Universität Aberdeen gar nichts beweist. Wir hätten das Testverfahren kritisieren können und die Gleichsetzung von kantigem Schädel und Machotum. Stattdessen kraulten wir uns prüfend das Kinn.

Um der Antwort zu entgehen, taten wir, was immer hilft: Wir redeten uns die Sache schön. "Wir haben ja ein sehr gutes Gesundheitssystem in Deutschland", sagte mein Freund. Er sah besorgt aus: "Haben wir doch, oder?"

"Joooh, klar", sagte ich eilig. Meine Stimme war die eines Erwachsenen, der einem verängstigten Kind auf die Frage nach dem Tod antwortet: "Bis dahin dauert es noch gaaaaanz lange."

"Allerdings", fügte ich hinzu, "sieht es für die Zukunft des Gesundheitssystems ja nicht so dolle aus. Immer mehr Alte, steigende Kosten für Pflege und Apparatemedizin und so." Mein Freund guckte wie das bereits erwähnte Kind, dem ein Erwachsener gerade gesagt hat: "Schreckliche Sache, dieser Tod. Deine Eltern könnten die Nächsten sein. Willst du ein Eis?"

"Das heißt", sagte mein Freund irritiert, "wir müssen hoffen, dass Philipp Rösler es tatsächlich schafft, die Kosten im Gesundheitswesen zu drücken?" Er stockte: "Damit wir Milchgesichter noch Erfolg bei Frauen haben, müssen wir FDP wählen?" Beziehungselend oder FDP wählen: So also fühlte sich Meryl Streep in "Sophies Choice". Was solls. Lebensglück wird eh überschätzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

11 Kommentare

 / 
  • D
    Dawnhammer

    Einer der schönsten Kommentare, die ich bis jetzt gelesn habe.

  • G
    glamorama

    Ich suche mir einfach eine reiche Frau. Für die spielt das Gesundheitssystem keine Rolle, und anstatt arbeiten zu gehen, kann ich dann ganz Hausmann und Milchbubi sein :)

  • A
    avelon

    Ist es nicht eben so, daß viele Frauen sich einen Mann mit durchschnittlichen Gesichtszügen wünschen? So laufen sie nicht allzu große Gefahr im Alter durch eine junge Frau ersetzt zu werden.

     

    Abgesehen davon, daß die Minderwertigkeitskomplexe von durchschnittlich aussehenden Männern durch innere Werte ausgeglichen werden können?

     

    Heutzutage ist das Aussehen doch weniger relevant, als das Geld, was hinter dem Manne steckt, leider. Je mehr Millionen im Säckle, desto schöner ist der Mann für einige wenige Frauen.

  • KK
    Klare Kante

    Einer der witzigsten Kommentare, den ich seit langem gelesen habe. Mehr davon!!!

  • N
    Nobilitatis

    Unter den erwähnten Voraussetzungen würde ich nachdrücklich vor einer FDP-Wahl warnen! Dadurch kann sich die Situation nur verschärfen! Und zwar kurzfristig. Der Index sänke ähnlich schnell wie die Beliebtheit des Außenministers.

  • M
    Moe

    schöner Kommentar von "Milchgesicht", dem kann ich mich nur anschliessen!

  • W
    wolfgang

    Nein, Toby, es wird wohl so sein, daß die Milchbubis, falls sie mehrheitlich unverheiratet bleiben, das Gesundheitssystem ruinieren.

  • T
    Toby

    Nun macht alles Sinn! Jetzt weiß ich, warum bei der FDP so viele Milchbubis rumhängen. Jetzt wird alles klar!

  • A
    anke

    Sie sind ja ganz schön mutig, Herr Lohre. Ich möchte fast sagen: Sie sind entschieden zu leichtsinnig. Tollkühn geradezu. Eigentlich sollten Sie doch ganz genau wissen, was die Verfechter der wirklich reinen Lehre von der Deutsch-Jüdischen Vergangenheit und Gegenwart mit Ihnen machen werden, wenn sie Sie bei Ihren unhaltbaren Vergleichen erwischen, oder? Fragen Sie Ihre Chefin, wenn Sie sich gerade nicht so genau erinnern. Bei der dürfte die Erinnerung noch ziemlich frisch sein. Und glauben Sie mir: Es wird Ihnen einen Dreck helfen, dass Sie geheult haben wie ein Schlosshund, da im dunklen Kino. In Krisenzeiten sind Machos einfach gefragter. Ich möchte übrigens darauf wetten, dass diejenigen, deren Studie Sie zitiert haben, mit ihren Zahlen auch belegen könnten, dass Männer extrem weibliche Frauen immer dann ganz besonders attraktiv finden, wenn die Zeiten als besonders hart gelten, weil gerade nicht nur das Gesundheitswesen den Bach runter geht.

     

    Ach ja, eins noch: Das sogenannte Lebensglück lässt sich gar nicht überschätzen. Man kann es allerdings abschreiben, wenn man einmal zu oft erlebt hat, dass es einen nicht ausstehen kann.

  • H
    hmmmm...

    bedenklich bedenklich... ob es demnächst Kinnvergrößerungen und Gesichtsvergröberungenfür Männer geben wird? Ein neues Geschäft für die Schönheitschirurgie winkt!

  • M
    Milchgesicht

    Keine Sorge, junger Mann, dass das unter Beteiligung der FDP in Gestalt von Herrn Rösler besser oder zumindest "weniger schlimmer" wird, halte ich für sehr unwahrscheinlich!

    Außer chronischer Geldbörsenschwellung gibt es keine Diagnose, bei der die Wahl der FDP angezeigt wäre.