Kolumne Männer: Dumm und dümmer
Männer gelten als Freunde des Fäkalhumors. Ich auch. Aber ich bin nicht Schuld.
D ieser kleine Junge, sagte eine Freundin von mir, "dieser Junge war dermaßen süß". Sie erzählte mir von einem Zweijährigen, den sie in einer Drogerie gesehen hatte. "Der Fratz ritt auf einem Furzkissen wie auf einem Hüpfball." Bei jedem Sprung gab das Kissen das verbotene Geräusch von sich. Das Kind konnte kaum aufhören zu lachen. Die Freundin erzählte: "Der Junge genoss den Ritt auf dem furzenden Ball, wie nur kleine Kinder so was genießen können." Ich dachte: nur kleine Kinder?
Männern wird ja ein Hang zum Fäkalhumor unterstellt. Alles, was mit Körperausdünstungen und -geräuschen zu tun habe, fasziniere das grobschlächtigere Geschlecht. Und so sehr ich mich über den Vorwurf, den ich gerade selbst gemacht habe, aufregen möchte, so wenig kann ich es. Denn ich bin auch so einer.
Bitte denken Sie jetzt nichts Falsches. Ich bin durchaus in der Lage zur gepflegten Unterhaltung, esse mit Messer und Gabel und kann meist unfallfrei geradeaus laufen. Aber ich finde Gefallen an Witzen mit Fäkalbezug, die eine - no pun intended - gewisse Fallhöhe besitzen.
Matthias Lohre ist Parlamentsredakteur der taz.
Ein Beispiel: In einer Folge der fantastischen Krankenhaus-Comedyserie "Scrubs" wird fast durchweg gesungen. Höhepunkt der Musical-Episode ist das getanzte und in Liedform gegossene Lob auf Stuhlproben: "Everything comes down to poo." Kein Sänger zieht dabei eine Grimasse. Darauf kommt es an: aufs Würdebewahren beim Tabubruch. Und auf den Zwiespalt zwischen glamourösem Musical-Auftritt und der kindischen Freude am Schmutzigen. Das DVD-Bonusmaterial der Folge zeigt, wie das teure Sinfonie-Orchester, das soeben das Lied vertont hat, zum ersten Mal den Text dazu hört: un-be-zahl-bar. Der Song erhielt eine Emmy-Nominierung. Woher kommt die - vor allem Männern zugesprochene - Lust am vermeintlich Privatesten, das bei näherer Betrachtung eben nichts Intimes ist, sondern von Mensch zu Mensch kaum verschieden?
Eine mögliche Antwort lautet: Es ist die Erinnerung an die Freude des Kleinkindes, das seine Unterlegenheit gegenüber den Erwachsenen für einen Moment aufhebt: Guck mal, was ich kann! Wahrscheinlich hat, wie so oft, die britische Band "Everything but the girl" Recht. Sie sang: "The heart remains a child". The humour auch.
Eine zweite Lösung bietet Sophie Rois. Die österreichische Schauspielerin wurde in einem TV-Interview gefragt: "Was ist das Katholischste an Ihnen?" Rois antwortete ohne Zögern: "Ich glaube, mein Hang zu den Eingeweiden." Hervorgerufen durch die ständige Betonung der Leiden Christi, das der Heiligen, Pi, Pa und Po. Auch ich bin in einer katholischen Gegend aufgewachsen. Vielleicht bin ich also gar nicht schuld an meinem Humor, auch nicht mein Mannsein. Sondern zweitausend Jahre Tradition. Wenn Jesus das wüsste. Vielleicht hätte es ihm gefallen. War ja auch bloß ein Mann.
Der Furzkissen-Junge weiß noch nichts von alledem. Er hüpfte, bis seine heraneilende Mutter, hochroten Kopfes, ihm Einhalt gebot. Vielleicht dachte sie da an einen Ausspruch Anke Engelkes: "Kinder sind wie Fürze. Die eigenen sind noch am erträglichsten."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil