Kolumne Männer: Nackt
Männer werden diskriminiert? Oder warum gibt es eine Straftat, die nur Männer begehen können?
D er folgende Satz fällt mir nicht leicht, man will ja nicht als einer gelten, dem ob des Laufs der Welt gleich das Riechsalz gereicht werden muss, aber es ist so: Männer werden diskriminiert. Es gibt nämlich einen Straftatbestand in Deutschland, den einzig Männer begehen können: Exhibitionismus.
Daran finden Richter nichts Anstößiges. Vor zwölf Jahren stellte das Bundesverfassungsgericht fest, es verstoße nicht gegen das Freiheits- und Gleichheitsprinzip des Grundgesetzes, nur Männer wegen Exhibitionismus zu belangen. Um Exhibitionismus, urteilte 1998 das Bayerische Oberlandesgericht, handle es sich nur, wenn die Entblößung der sexuellen Befriedigung dient. Klingt klar. Aber ich habe noch ein paar Fragen.
Wie passt dieses einseitige Verbot zu Paragraf 3, Absatz 1 des Grundgesetzes: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich"? Weil dies hier ein Text ist, und Texte können sich ja nicht antworten, gebe ich eine mögliche Antwort gleich selbst. Armer Text, sollst nicht ohne wärmende Antwort bleiben, so mitten im Winter! Wer ist ein guter Text? Duuuuuu bist ein guter Text! Verzeihung. Wo war ich?
Matthias Lohre ist Parlamentsredakteur der taz.
Ach ja. Träfe ein Mann auf seine Kumpels und sagte: "Vorhin ist mir eine nackte Frau über den Weg gelaufen. Sie wollte mir nur ihre Brüste und ihr You know what zeigen, sonst war sie still. Gott, bin ich empört!", dann müsste sich dieser Herr die eine oder andere Frage zu seiner sexuellen Orientierung anhören. Kurzum: Welcher Mann wollte solche Darbietungen strafbar machen?
Hinzu kommt: Männer tun in ihrem Leben weniges, das nicht auf Mehrung und Erhalt ihres sozialen Status gerichtet ist. Denn gesellschaftliches Ansehen - und bei diesem unromantischen Spiel machen Frauen immer noch mit - gilt als attraktiv. Gesetzgebern und -interpreten scheint es da unverständlich, dass jemand seine Paarungschancen freiwillig verringert, indem er nackt durch die Gegend läuft und sich dabei absichtlich erwischen lässt. Wer so was macht, muss pervers sein.
Auch Mark Roberts. Der Brite, Vater dreier Kinder, reist seit 17 Jahren um die Welt, um fast bis gänzlich nackt durch Sportstadien und über Pferderennbahnen zu laufen. Besonders anmutig war des Flitzers Auftritt beim olympischen Dressurreiten in Peking 2008. Dort trabte der leicht übergewichtige Herr, nur mit einem rosa Tutu bekleidet, über den Parcours, scheute vor einer Hürde und machte als Ersatz eine elegante Rolle vorwärts. Ist das Exhibitionismus? Ich finde: nein. Wie gesagt, wollen Männer bei Frauen Eindruck machen. Und will irgendwer ernsthaft behaupten, es bringe einen Mann diesem Ziel - und damit sexueller Befriedigung - näher, wenn er im Ballettröckchen ein Springpferd nachahmt? Andererseits: Roberts ist Engländer, da weiß man nie.
Es gibt auch weibliche Flitzer, zum Beispiel die Neuseeländerin Lisa Lewis. Die blondierte Endzwanzigerin wurde bekannt, als sie 2006 auf der Suche nach Aufmerksamkeit, nur mit einem Bikini bekleidet, während eines Rugby-Länderspiels lächelnd übers Feld lief. Der junge Ordner, der Lewis schließlich vom Feld trug, wirkte gar nicht empört.
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