Kolumne Männer: Verblendung
Männer müssen sich ab Mitte 30 rechtfertigen, warum sie keine Kinder haben. Weshalb nicht umgekehrt Väter für ihre Kinder?
S inglemänner brauchen Geduld. Sie hören spätestens ab Mitte 30 von jungen Eltern Sätze wie: "Ich verstehe gar nicht, was bei dir schiefläuft. Du bist doch so ein netter Typ." Zugegeben, das mit dem netten Typ höre ich seltener. Aber mir geht es um etwas anderes: um die Unterstellung, mit Männern stimme etwas nicht, wenn sie ab etwa Mitte 30 keine Anstalten machen, sich möglichst bald fortzupflanzen.
Erstaunlicherweise wird ein Mann fast nie gefragt, warum er Vater geworden ist. Es sei denn, er ist selbst noch ein halbes Kind oder heißt Hugh Grant. Vaterschaft gilt ab einem gewissen Alter als Wert an sich, als natürliche Phase im Leben eines Mannes. Aber stellen Sie sich bitte mal folgende Frage: Wären Sie gern das Kind Ihres Chefs? Oder Ihres alten Physiklehrers? Oder das von Hugh Grant? Dennoch gilt Vaterschaft nicht als erklärungsbedürftig, anders als Nichtvaterschaft.
Bei vielen Vätern wären Sätze angebracht, die sonst kinderlosen Männern gelten: "Was ist denn da schiefgelaufen?" "Ich verstehe das nicht, Du bist doch so nett." Oder "Ich hoffe, du findest eines Tages doch noch die Richtige." Denn viele Männer, die ein Kind zeugen, sind nicht weniger bindungsunfähig oder -willig als Nichtväter. Sie schlittern aber in die Vaterschaft, meist aus einer Mischung aus Ratlosigkeit und Passivität: Sie sind doch schon länger mit ihrer Freundin zusammen, diese will nun mal ein Kind, und das ist ja auch verständlich in dem Alter.
ist Redakteur der taz.
Das ist keine Entscheidung fürs Vatersein, sondern eine Mischung aus Ratlosigkeit und Lethargie. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Auch unter männlichen Singles sind jede Menge ratlose und lethargische Exemplare. Aber weil sich diese Kerle nicht fortpflanzen, ersparen sie Generationen von Nichtgeborenen jede Menge Therapiesitzungen mit dem Thema "Mein Papa hat sich nie für mich interessiert".
Wenige Männer wissen, was es heißt, ein liebevoller, guter Vater zu sein. Zumeist weil ihre Väter es ihnen nicht vorgelebt haben. Manche werden deshalb aus Überforderung aggressiv, andere ziehen sich auf die vertraute Ernährerrolle zurück, wieder andere imitieren ihre Partnerin und werden zu "Müttern ohne Brust", die auf dem Spielplatz rufen: "Bitte nicht mit der Schippe den Leon hauen, ja, Lukas? Ich möchte das nicht so." Ihnen gemein ist, dass ihre Kinder nicht lernen können, sie auf liebevolle Art zu respektieren.
Aber es gibt Hoffnung. Nimmt man den Gradmesser der Jugendkultur, dann geht es aufwärts mit dem Ansehen der Väter bei ihren Kindern: Sie sind es mittlerweile wert, demonstrativ herabgesetzt zu werden. Es gibt nicht mehr nur "Deine Mudda …"-Witze, in denen es darum geht, die zentrale Bezugsperson des Gegenübers auf möglichst bizarre Art zu schmähen. Sondern auch "Dein Vadda …".
Wer so beleidigt, dem muss der Vater ebenfalls als innig geliebtes Wesen erscheinen. Nur dann ist die Beschimpfung verletzend genug. Vielleicht ist es daher eine Folge gleichberechtigter Kindererziehung, wenn junge Menschen heute Sprüche sagen wie: "Dein Vadda geht in den Puff, um deine Mudda zu besuchen."
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