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Kolumne MännerBad Boys

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Männer sind angeblich egoistisch und machen, was sie wollen. In Wahrheit tun sie es viel zu selten.

D ie Pubertät birgt viele Schrecken. Haare wachsen dort, wo man sie nie vermisst hat. Andere Haare wuchern auf eine Art, die einen noch Jahrzehnte später wünschen lassen, man möge doch endlich mal den uralten Führerschein inklusive Foto verlieren. Und Mädchen sagen Sätze, die halbwüchsige Jungen in Panik versetzen. Zu ihnen zählen das rätselhafte "Ich mag dich", das noch rätselhaftere "Ich mag dich echt" sowie die Aufforderung: "Sei doch mal spontan!"

Spontan möge ich sein, riefen mir die kichernden Mädels vom Nachbargymnasium zu, und ihnen was zu trinken holen. "Sei doch mal spontan!", sagte eine andere und riet mir, meine langen Haare abzuschneiden. Zwar muss ich zugeben: Wäre ich letzterer Aufforderung gefolgt, müsste ich heute keine Führerscheinkontrollen fürchten. Aber beide Beispiele zeigen auf, unter welchen Prägungen nicht nur pubertierende Jungs leiden, sondern auch scheinbar erwachsene Männer.

Die Aufforderung zur Spontaneität ist im Kern so unsinnig wie die, jetzt auf keinen Fall an einen rosa Elefanten zu denken. Dahinter steckt aber vielfach ein Mechanismus, der männliche Wesen stresst: Noch immer werden viele Jungs dazu erzogen, an sie gerichteten Erwartungen zu entsprechen und sich darüber nicht zu beklagen. Die Erfüllung aller an sie gerichteter Anforderungen verwechseln sie dann mit Erfolg oder gar mit Glück.

Was sie aber selbst wollen, wissen Männer oft nicht. Sie hören ja ohnehin ständig, sie seien das strukturell noch immer bevorteilte Geschlecht. Wunschäußerungen wirken da schnell anmaßend. Ich jedenfalls kam als Teenie leider nie auf die Idee, einem Mädchen zu sagen: "Sei doch mal spontan und küss mich."

Woher kommt bei Männern die starke Orientierung an Wünschen anderer? Kinder- und Jugendpsychologen erklären seit Jahren, wie verbreitet eine übermäßige Fixierung von Jungs auf ihre Mutter ist. Diese entsteht, wenn eine männliche Bezugsperson, meist der Vater, als Gegengewicht und Ausgleich ausfällt.

Bild: privat
MATTHIAS LOHRE

ist Parlamentskorrespondent der taz.

Der vermutete Wunsch von Bezugspersonen wird bei vielen Männern zur lebenslangen Richtschnur. Die einen flüchten sich in die scheinrebellische Pose des Machos, der sich immer wieder beweisen muss, wie unabhängig er doch von Frauen ist. Die anderen suchen ihr Heil in der emotionalen Abhängigkeit von einer Ersatzmtter: ihrem Job, ihrer Religion, im Extremfall vom FC Bayern München. Oder natürlich von ihrer Partnerin.

Das schadet nicht nur Männern. Eine Zeit lang mögen viele Frauen es, wenn ihr Partner ihnen im Wortsinne die Wünsche von den Augen abliest. Aber das wird auf Dauer langweilig, wie Meisterschaftstitel des FC Bayern. Abwechslung muss her: ein Mann, an dem sie sich reiben kann, und das nicht nur, aber auch im wörtlichen Sinn.

Ein Mann, mit dem das geht, muss seine eigenen Bedürfnisse kennen und vertreten, und davon gibt es zu wenige. Und es braucht eine ebenfalls charakterlich gefestigte Frau, die die Andersartigkeit ihres Partners nicht wegzuschleifen versucht. Spontan sag ich mal: So eine reife Beziehung kann ich auch führen. Haben mir Freunde gesagt.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

6 Kommentare

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  • AS
    arme Sau

    @ suswe

     

    Dann haben die vielen Frauen, die Geborgenheit nur im Porsche Cayenne richtig spüren, nichts mehr zum kuscheln. Schwarz-weiß vom autor verfasst, schwarz weiß kommentiert von dir. Auf jeden Topf passt ein Deckel, nur die vergoldeten Edelstahls-Sets sollten auch unserer Umwelt wegen zum Recyclinghof.

     

    Verdammte Gleichmacherei !

  • S
    Steffi

    Naja, die Fähigkeit, auf seine eigenen Bedürfnisse ganz natürlich und selbstbewusst zu achten ohne dabei entweder bevormundend noch unterwürfig zu sein, scheint mir ganz allgemein nicht besonders weit verbreitet, geschweige denn kultiviert zu sein.

     

    Das ist kein spezifisches Männerproblem und auch kein spezifisches Problem von Liebesbeziehungen.

     

    Frauen können das auch nicht.

     

    Und auch die Menschen am Arbeitsplatz, in der Familie, Nachbarschaft, Sportverein, Partei...können das nicht;

    vielleicht noch am ehesten die Menschen in Freundschaften. Aber allzu optimistisch würde ich auch das nicht beurteilen.

  • W
    WieBier

    Kann ja auch gut sein, sich um andere zu Sorgen. Damit erhaelt man die eigene Art und das ist der einzige Sinn im Leben. Man wird geboren, macht Nachwuchs, isst, trinkt und stirbt, so wie alle anderen Saiegetiere auch. Der Mensch nimmt sich viel zu wichtig.

  • S
    suswe

    Wären Männer wirklich männersolidarisch, würden sie als Väter für ihre Söhne auch da sein ohne Gewalt und Karriereneurosen usw.

    Dann könnten Männer auch mal aufhören, sich über Zugriff auf Frauen, dicke Autos, Aktienindexe und ähnliche Scheinbefriedigung zu definieren.

  • A
    anke

    Klar können Sie eine "reife Beziehung" führen, Herr Lohre. Sie müssen dafür nicht mehr und nicht weniger tun, als sich von allem zu trennen, was an Ihnen nicht autochthon ist. Sind Sie dazu in der Lage? Wenn nicht, macht das fast gar nichts. Den aller meisten Frauen geht das nämlich ganz genau so. Niemand weiß, was eine "reife Beziehung" ist, bevor er sie selber gelebt hat. Aller Beste Voraussetzungen also für die vielen kleinen Schritte, die laut Mathias Greffrath letztlich zum großen Ziel führen. Oder in die große Katastrophe. Übung, nicht wahr, macht den Meister. Manchmal.

  • A
    Anne

    Sehr schöne Kolumne! Mit SO EINEM Mann würde ich auch 'ne Beziehung wollen. Sach ich jetzt mal. Lieber Matthias, gründe mal eine entsprechende Bewegung. Meinen Segen habt ihr!!