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Kolumne MachtÖffentlich privat

Bettina Gaus
Kolumne
von Bettina Gaus

Politiker auf Parteitagen wissen, dass Kameras ständig aufnahmebereit sind. Aber sie müssen nicht jede Aufnahme akzeptieren.

Süß, dieser verträumte Junge. Wäre er Politiker auf einem Parteitag, hätte man ihn aber nicht gezeigt Foto: dpa

W infried Kretschmann ärgert sich über Anton Hofreiter – es geht um Elektromobilität – und schimpft im Gespräch mit einem Bundestagsabgeordneten am Rande des grünen Parteitags wie ein Rohrspatz. Familienkrach bei den Grünen: mittelgutes Thema, zum Kommentieren geeignet, leicht zu bebildern, durchschnittliche Haltbarkeitsdauer zwei bis vier Tage. Journalistische Routine. So auch in diesem Fall – leider. Denn dieser Fall ist ein Skandal. Und das Schlimmste daran ist, dass es kaum jemandem aufzufallen scheint.

Das Gespräch, das Kretschmann führte, ist ohne dessen Einwilligung aufgenommen worden. Was niemanden, auch die taz nicht, daran hinderte, ausführlich über den Inhalt zu berichten; viele Medien stellten das Video online.

Geht’s noch? Wer es für legitim hält, private Unterhaltungen heimlich mitzuschneiden und deren Inhalt zu veröffentlichen, sollte sich mit scharfen Kommentaren gegen staatliche Überwachungsmaßnahmen ein Weilchen zurückhalten. Übrigens gehöre ich nicht zur Fangemeinde des baden-württembergischen Ministerpräsidenten, aber das spielt in diesem Zusammenhang überhaupt keine Rolle. Ich fände ein derartiges Verhalten auch gegenüber Alexander Gauland von der AfD nicht akzeptabel.

Der Urheber des Videos rechtfertigt sich im rechten Wochenblatt Junge Freiheit damit, die „Aufnahmesituation“ sei „eindeutig und klar“ erkennbar gewesen. Oh, bitte. Das Argument eignet sich allenfalls für die Galerie, Kolleginnen und Kollegen müssen es besser wissen.

taz.am Wochenende

Ein junger Mann kommt als Flüchtling aus dem Irak nach Sachsen. In einem Supermarkt gibt es Ärger, vier Männer fesseln ihn an einen Baum. Kurz bevor ihnen der Prozess gemacht werden soll, findet man den Flüchtling tot im Wald. Zufall? Das fragt die taz.am wochenende vom 1./2. Juli. Außerdem: Rapper Bushido versucht sich an sein Praktikum im Bundestag zu erinnern. Und: Sechs Seiten zur Entscheidung im Budnestag für die Ehe für alle. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Auf Parteitagen sind ständig Kamerateams unterwegs, die Bilder ohne Ton für spätere Berichte drehen. Aus Höflichkeit und um den Leuten die Arbeit nicht zu erschweren, dreht man sich da nicht weg und macht auch keine Faxen, sondern versucht sich so zu benehmen, als bemerke man die Kamera nicht. Deshalb rechtfertigt es gar nichts, wenn Kretschmann die „Aufnahmesituation“ tatsächlich erkannt hat.

Es ist wahr: Ein Parteitagsplenum ist kein Wohnzimmer. Wer in der Nase bohrt, muss damit rechnen, am nächsten Tag ein unschönes Foto von sich in der Zeitung zu sehen. Es gibt Grauzonen. Ein Platz oben auf dem Podium ist nicht geeignet, um endlich einmal ungestört Vertraulichkeiten auszutauschen. Und ein Halbsatz unmittelbar vor oder nach einem Auftritt, der mit Ton gedreht wird, bleibt nicht verborgen.

Aber ist es wirklich nötig, den Unterschied zwischen solchen Szenen und dem minutenlangen Abhören einer Unterhaltung zu buchstabieren? Das will ich nicht glauben müssen.

Auch auf öffentlichen Veranstaltungen gibt es einen geschützten Privatbereich. Wenn ich zwei Leute im Gespräch miteinander sehe, dann geht mich nichts an, was die besprechen – egal, wie sehr es mich interessiert. Sie zu belauschen gehört sich nicht.

Seriöse Medien sollten sich schleunigst von Lauschangriffen distanzieren, statt über deren Ergebnisse zu berichten.

Abgesehen davon ist es aber auch unklug. Wenn sich ein derartiges Verhalten einbürgert und für „normal“ gehalten wird, dann braucht sich niemand zu wundern, wenn Politikerinnen und Politiker für Gespräche in den berühmten Hinterzimmern verschwinden. Winfried Kretschmann hat ja bereits angekündigt, das künftig tun zu wollen. Zu verübeln ist es ihm nicht. Und dabei wird es nicht bleiben.

Seriöse Medien sollten sich schleunigst von Lauschangriffen distanzieren, statt über deren Ergebnisse zu berichten. Sonst ist es nämlich nur eine Frage der Zeit, bis der freie Zutritt von Journalistinnen und Journalisten zu Plenarsälen und ähnlichen Orten eingeschränkt wird. Der Transparenz von Politik dienen derartige schmierige Aktionen nicht.

Im Gegenteil.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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13 Kommentare

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  • Ok - auch wenn Bettina Gaus vorgibt - Ihr's alles ohne den von Ihr eher nicht geschätzten exPersetter&K//ler -

    MP Kretschi - zu meinen

    (sorry - över de Brüch johik nich!;)

    hier mal Klartext via Kontext - https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/326/wirtschaftsversteher-misstraut-erfindergeist-4448.html

     

    (ps Ich erinner daran - daß der Meister

    Der Inszenierung - Onkel

    Herbert Wehner - Seine scheinbar unkontrollierten Pöbeleien Sotissen etc

    (dafür hab nicht nur ich ihn gemocht

    Herr Lueg - Herr Wöhrner!;))

    Das diese MediShow - dank Spiegel

    Sich in Luft auflöste!

    Von einem Hochhaus bei einer Rede in Hannover zeigten Spiegel TeleBilder:

    "Hier brülle ich!" "Schlage mit der Faust auf's Pult" usw - in seinem

    Manuskript - Alles genau geplant!

    Logo! So war er! https://m.youtube.com/watch?v=DwH1inbYWJI

     

    Schön am Mitschnitt & hier im Kontext!

    Er. Kocht nur mit sehr lauwarmen - Wasser & a weng kalkhaltig isses aach!

    kurz - "Er war Lehrer & sie -

    Schnitt die Kartoffeln auch mit dem Messer!" Bis zur Kenntlichkeit entstellt!

     

    Und das sollte dem Bürger nicht verborgen bleiben!

    Nochmals - Wenn er das nicht will -

    Was ich bezweifel - Rand halten!

    Auch wenn's schwer fällt! &

    Völlig korrekt hier angemerkt -

    Ha noi. Über Privates ham die beiden -

    Streithammel von Natur -

    Sich ja nun wahrlich nicht -

    In die Wolle gekriegt - wollnichwoll!

    • @Lowandorder:

      Onkel Herbert - paschd scho - ;)

      War anschließend so sauer

      (Bild vs Ton¿;)

      Daß er m.W. den Spiegel auf Dauer - "Schnitt"!

  • …;) by the way only - ;)

     

    weil ich Ihre Beiträge - wie bei solch fitten Kappen - eh immer & meist gern mehrfach bis zu Ende lese -

    Ihr so Leichtes geschnallt zu haben glaube - & Ihnen ja grds. zustimme -

    Bin ich halt nicht der getroffene Hund - wa!

     

    Aber falls Sie dennoch Meins zuende Gelesen haben sollten - mal nochens.

     

    Abstrakt & nicht ganz ironiefrei -

    Gehts jenseits Ihres "tut man nicht" & dem überzogenen Griff zu - upps - "Lauschangriff" doch eher um eine Art

     

    "Viktimologie für Politikaster vs Medien im demokratischen Prozess vor der Folie gesellschaftlichen Wandels!" - kerr!;) - & - doch doch -

     

    Da & insoweit - mit Verlaub -

    Greift ihr - sorry etwas altbacken anstandkorrekter Ansatz -

    Jedenfalls mir - Deutlich zu kurz!

    Soweit mal - Geschätzte immer weiter -

    Gern Gelesene - Bettina Gaus!!;))

     

    (zur Opfer/Täter-Beziehung ~> https://de.m.wikipedia.org/wiki/Viktimologie - )

  • Hätten sich die beiden Politiker über ihre Erektionsprobleme, ihre Hautunreinheiten oder neue Methoden, ein Steak zu grillen, unterhalten, gäbe ich Ihnen recht. Das wäre vieleicht interessant, aber eben auch privat.

     

    Die Einschätzung eines politischen Problems, eines Beschlusses oder einer Diskussion sowie die echte! Haltung eines Politikers hingegen ist für die Wählerschaft selbstverständlich bedeutsam. Nichts anderes macht ja wikileaks.

     

    Ohne jetzt einen alten autonomgrünen Slogan zu bemühen, der privat und politisch definiert.

  • Bettina Gaus , Autorin des Artikels, Politische Korrespondentin

    Haben Sie den Text eigentlich gelesen? Es geht um den Unterschied zwischen Bild und Ton. So schwer zu verstehen ist das doch eigentlich gar nicht, oder?

    • @Bettina Gaus:

      Danke der Nachfrage!

       

      Ja, melde gehorsamst: Text gelesen und auch auf Anhieb den Unterschied begriffen zwischen Bild (in Ordnung, sogar mit Nasenbohren (?)) und Ton ("Skandal", "Lauschangriff", "gehört sich nicht", außerdem "unklug").

       

      War übrigens auch nicht schwieriger zu verstehen als Kretschmanns Trivialitäten zur E-Tankstelle.

  • Ja. Kann frauman nehmen. But.

     

    Mal die Drift auf der Zeitachse im Blick.

    Mitterand verwahrte sich mit "privat"

    Jeglicher Fragen zu - Liebesverhältnissen einschl. bekannter Tochter - erfolgreich!

    But. Längst Geschichte - Brandt Schmidt Seehofer Kohl ffff etc

    Diese Zeit der Scham im plundrigen - Medienascheimer der Geschichte!

    &

    Next step. Just in time.

    Wurde früher jederfrauman Weggeschlossen - wenn straßenwärts

    Öffentlich vor sich hinbrabbelnd!

    Heute. Orkus längst. Normal.

    Da mähtste nix.

    Digitime. Get it¿! Fein!

     

    Na & Kretschi? Mach Bosse!

    Dieser exPersettertyp ist sowas von -

    Abgemalt slime vertraut - gell.

    Mal im Ernst. Wenn dieser Betbruder -

    Merkt - Daß ihm da die - doch doch -

    Schweine & Pferde durchgehen!

    Ihm wie erkennbar mehr als oft die

    Kontenance - Flöten geht!

    Ja. Meinescheißenocheins - dann soll er

    Schlicht den Rand halten! EndeGelände

    Auch wenn ihm das - xfach belegt -

    Mehr als schwer fällt!

     

    kurz - Seine Hinterzimmerattitüde -

    Peinlichste Krokodilstränenshow!

    Pauker halt. Die sind nie was gewesen.

    Normal. Da mähtste nix.

    So geht das.

    • @Lowandorder:

      & Mit dem Schönen von C.H. Artmann

      "Opern Sie mir nicht in die Schuhe -

      Herr!"

      Kommste heute halt nicht weit - kerr!

      (Harry Rowohlt würde es bedauern - ;)

      Zu recht!

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...ich denke auch, dies war eine bewusste Inszenierung Kretschmanns. Und wieso? Der Mann ist Ministerpräsident in BW, Daimler, Porsche (VW) lassen grüßen.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @81331 (Profil gelöscht):

      Der Vollständigkeit halber: auch Audi Neckarsulm (ganz früher mal NSU/NSU-FIAT) lässt grüßen.

      • @571 (Profil gelöscht):

        Horch'esemal - gell!

  • Private Unterhaltung ? Wenn man das Internet durchforstet, sieht man rund um den Platz herum viele Kameras und auch große Filmapparate. Außerdem guckt er während des Gespräches zweimal direkt in die Kamera. Und die war nicht hinter einem Paravent versteckt, Nein, nein, nein. Er hat genau gewußt, daß das aufgenommen wurde. Daß er nun so tut, als hätte er das nicht bemerkt, halte ich für ausgesprochen typisch Politiker.

  • "Lauschangriff" und "schmierige Aktionen" gegen Winfried Kretschmann?

     

    Ein Politiker produziert sich vor der Kamera und spielt mit einem Parteifreund die Farce "Vertrauliches Gespräch"; nach Veröffentlichung wird dann ein bisschen empört rumgemosert.

     

    Erinnert an die Situation: Promi spielt vor Paparrazi das Stück "Unbeschwerter Badeurlaub mit Partner / Partnerin"; nach Abdruck der Fotos wird dann halbherzig die verletzte Privatsphäre beklagt.

     

    Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat "angekündigt", er wolle in Zukunft "für Gespräche in den berühmten Hinterzimmern verschwinden"? Für wirklich vertrauliche Gespräche hat er das doch schon immer gemacht.