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Kolumne MachtEin kuscheliges Wort

Bettina Gaus
Kolumne
von Bettina Gaus

Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen. Das klingt harmlos. An Tod, Blut und Angst will man lieber nicht denken. Doch es geht um Krieg.

Verantwortung, aha: Soldaten im Kampfeinsatz. Bild: dpa

U m den Regentanz für eine sinnvolle Veranstaltung zu halten, kommt es nicht auf die Erfolgsquote an. Es geht dabei schließlich um den Glauben, nicht um die Realität. Die Art und Weise, in der hierzulande über internationale Militäreinsätze diskutiert wird, erinnert an alte Formen der Geisterbeschwörung. Mit der Wirklichkeit eines Krieges hat die Debatte nichts zu tun. Er darf ja nicht einmal so genannt werden.

Bei keinem anderen Thema werden Leute so schnell grundsätzlich wie bei diesem. Das gilt gerade für diejenigen, die für sich in Anspruch nehmen, „realpolitisch“ zu argumentieren, und Pazifismus für eine abstoßende Form der Traumtänzerei halten. Worüber nämlich reden sie? Dass Deutschland mehr „Verantwortung“ übernehmen müsse. Das ist ein kuscheliges Wort. An Tod, Verstümmelung, Blut, Gestank, Angst, Zerstörung und Hoffnungslosigkeit denkt man da nicht.

Auch das Wort „internationaler Militäreinsatz“ klingt ziemlich harmlos – jedenfalls harmloser als Kriegseinsatz und auch harmloser als das, was einem solchen Einsatz im Regelfall vorausgeht. Vielleicht wird deshalb so routiniert nach dem Militär gerufen, wenn irgendwo auf der Welt etwas geschieht, was zu furchtbar ist, um es sich vorstellen zu wollen. Als sei diese Forderung ein Abwehrzauber.

Der allerdings noch seltener funktioniert als der Regentanz. Die Überzeugung, Soldaten könnten politische Probleme lösen, ist zwar durch zahlreiche gegenteilige Erfahrungen nicht auszurotten, aber dennoch falsch. Kaum schaut man einen Krisenherd aus der Nähe an, wird es eben kompliziert.

Ein Abwehrzauber?

taz.am Wochenende

Manuela Schwesig ringt darum, Kind und Karriere zu vereinbaren. Nicht nur als Familienministerin. Warum sie trotz eines Kanzlerinnen-Rüffels immer noch an ihre Idee von der 32-Stunden-Woche glaubt, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 21./22. Juni 2014. Außerdem: Bekommen wir bald Vollbeschäftigung? Ein Vater blickt in die Zukunft seines Sohnes. Und im sonntaz-Streit: Nordsee oder Ostsee? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Wie sich gegenwärtig nicht nur im Irak oder in der Ukraine zeigt. Sondern auch an so entlegenen Orten wie im Norden Nigerias. Ohne Unterstützung durch Teile der Bevölkerung könnte die Terrorgruppe Boko Haram dort ebenso wenig operieren, wie Isis es im Irak könnte. Glaubt vor diesem Hintergrund tatsächlich irgendjemand, die Verlegung von 80 weiteren US-Soldaten ins Nachbarland Tschad werde es Nigerianern in der Stadt Damaturu ermöglichen, ohne Angst ein Fußballspiel anzuschauen? Das kann niemand glauben.

Aber immerhin: Es geschieht etwas. Es geschieht etwas! Manchen von denen, die jederzeit bereit sind, andere Leute ins Gefecht zu schicken, scheint das zu genügen. Alles ist für sie offenbar besser als Untätigkeit.

Und es ist ja wahr: Der Widerstand gegen Militärinterventionen ist für sich genommen auch noch kein Nachweis einer humanen Haltung. Die Debatte findet – zu Recht – meist im Ressort Innenpolitik statt. Weil das Interesse für die Betroffenen am anderen Ende der Welt so groß dann doch nicht ist. Lieber arbeitet man sich am Gegner im eigenen Land ab.

Die Form, in der die Debatte über Kriegseinsätze gegenwärtig geführt wird, ist ebenso nutzlos wie bequem. Die einen erklären nicht, was genau das Ziel einer Intervention sein sollte und unter welchen Umständen es als erreicht gelten kann. Die anderen benennen keine konkrete Alternative.

Vielleicht ist der Mangel an Fantasie im Hinblick auf politische Intervention die schlimmste Begleiterscheinung der Tatsache, dass militärische Intervention inzwischen für eine Möglichkeit gehalten wird. In der fernen Vergangenheit des Kalten Krieges musste man sich wenigstens noch etwas einfallen lassen, um Konflikte zu entschärfen. Das war erfreulich. Für die Opfer.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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12 Kommentare

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  • @HTO

    Dass die Nazikeule als Reaktion kommen würde war voraus zu sehen. Nichts liegt mir ferner als die Verherrlichung des Faschismus. Man kann sich auch um die seinen kümmern ohne alle andern als Untermenschen zu behandeln.

     

    Bevor man sich um den Dreck der Welt kümmert sollte man erst vor seiner Haustüre kehren. Da gibt es genug zu tun in Sachen Gerechtigkeit und mangelnder Demokratie.

     

    Und - vielleicht einfach nur mal einigermassen verständlich bzw. eindeutig formulieren dann kommt es auch nicht zu Missverständnis.

     

    Was wissen Sie schon von meinem Hobby?

    Die Demokratie am Hindukusch verteidigen gehört jeden Falls nicht dazu. Das überlasse ich Ihnen.

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "Ich denke wenn ich mich bemühe in meiner Umgebung eine menschenwürdige Welt zu realisieren reicht das erst einmal."

     

    Ich denke: Das nennt man den auf das "Individualbewußtsein" reduzierten Egoismus des "gesunden" Konkurrenzdenkens für den "freiheitlichen" Wettbewerb um ..., der dann als Phänomen bezeichnet wird, wenn es systemrational-symptomatisch wieder auf Nationalsozialismus hinausläuft!

     

    "Da zu gehört auch dass ich immer höflich bleibe und nicht die Meinung andere als Gelaber bezeichne."

     

    Ich hatte meine wie ich nun sehe berechtigten Zweifel, aber im Grunde warst du garnicht gemeint / sollte es sogar Unterstützung sein - jetzt ärgere ich mich, und ehrlich, du solltest dir besser ein anderes Hobby suchen.

  • @HTO

    Woraus leiten sie meine Verantwortung für eine menschenwürdige Welt, zum Beispiel in Afghanistan, ab? Habe ich für alle auf der Welt die Verantwortung? Da habe ich aber viel zu tun.

    Ich denke wenn ich mich bemühe in meiner Umgebung eine menschenwürdige Welt zu realisieren reicht das erst einmal.

    Da zu gehört auch dass ich immer höflich bleibe und nicht die Meinung andere als Gelaber bezeichne.

    Haben Sie sich schon für einen freiwilligen Militäreinsatz zur Rettung der Menschenrechte in Afrika gemeldet? Nein- auch nur an "andere" / "Treuhänder" delegiert.

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "Vielleicht ist der Mangel an Fantasie im Hinblick auf politische Intervention die schlimmste Begleiterscheinung der Tatsache, ..."

     

    An kreislaufend-symptomatischer Dummheit und Verkommenheit mangelt es jedenfalls nicht, besonders offensichtlich im Bereich der populistischen / des "zwischenmenschlichen" Kommunikation(smülls) - wenn nicht der / ein Sündenbock gesucht wird, dann sind wieder die "anderen" Schuld :-)

     

    Verantwortung(sbewußtsein) erwächst aus dem Verstand von wirklich-wahrhaftiger / zweifelsfrei-eindeutiger Vernunft, nicht aus dem geistigen Stillstand des "freiheitlichen" Wettbewerbs um ... - brutal-egoisierendes "Individualbewußtsein" vs. geistig-heilendes Selbst- und Massenbewußtsein!

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @688 (Profil gelöscht):

      Der Krieg fängt im "freiheitlichen" Wettbewerb immer in den Köpfen an, mit der Fantasie für das "gesunde" Konkurrenzdenken über die Aktienkurse an den Börsen!

      • 6G
        688 (Profil gelöscht)
        @688 (Profil gelöscht):

        Ob Frau Gaus wohl auch einen KUSCHELIGEN "verantwortungslosen" Rentenfond darauf aufbaut???

  • Wie leicht ist doch das Morden wenn es andere für einen erledigen.

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @Fritz B.:

      So leicht wie die GLEICHERMAßEN unverarbeitete / MANIPULIERBARE Bewußtseinsschwäche in Angst, Gewalt und "Individualbewußtsein" systemrational zum "freiheitlichen" Wettbewerb um ... gepflegt wird - das gilt besonders für die Medien in Verpflichtung zu journalistischer "Neutralität!

       

      Wie leicht ist doch das "kritische" Gelaber, wenn Verantwortung für eine menschenwürdige Welt immer systemrational an "andere" / "Treuhänder" delegiert wird - "Demokratie" durch Kreuzchen auf dem Blankoscheck!

  • "Vielleicht ist der Mangel an Fantasie im Hinblick auf politische Intervention die schlimmste Begleiterscheinung der Tatsache,..."

    Dieser Mangel an Fantasie beruht im tiefsten Grunde vielleicht auf einem unbewußten Denkverbot - betreffend die "Erkenntnis" , dass alle diese Krisen- und Konfliktregionen nicht die geringste Chance haben , die Produktion und die Reproduktion ihrer Gesellschaften an das erreichte Weltniveau der Konkurrenz heranzuführen . (Das haben nach 1991 nicht mal die europäischen Länder des ehemaligen Ostblocks geschafft .)

    Es ist insoweit nicht allein Mangel an Fantasie , was den Machern militärische Interventionen als Möglichkeit erscheinen läßt , sondern auch "alternativlose" Hilflosigkeit .

    • @APOKALYPTIKER:

      (Fortsetzung :) Hilflosigkeit in einer Zeit , da das kapitalistische Wirtschaftssystem auch in den "reichen" Industrieländern in einer tiefen , nicht bloß konjunkturbedingten Krise feststeckt .

  • Nicht überraschend, aber doch erstaunlich ist, dass ein ganz großer Krieg wieder für möglich gehalten wird. Zu erklären ist das nur mit einer Amnesie. Das Wissen um die Realität und die Folgen von Krieg scheint über die Jahre bei so manchen verlorengegangen zu sein.

    Aber so lange es Kräfte gibt, die ganz hervorragend an der Rüstung verdienen, deren Geschäftsmodell der Krieg ist...

     

    Die letzten Schlachten um die Ressourcen haben begonnen. An dieser Tatsache führt kein Weg vorbei. Und von fairer also kluger Nutzung und Verteiligung oder gar Konfliktlösung ist wenig zu sehen.

     

    Und, YYYY XXXX, wo soll eine glaubwürdige Friedenspolitik herkommen? Von den aktuellen Politikern?

  • Liebe Frau Gaus, ich schätze Ihre Arbeiten sehr und auch dieses Mal schreiben sie Dinge an, die so - in Deutschland- sehr selten zu lesen sind. Und wieder treffen Sie den Nagel auf den Kopf. In den letzten 40 Jahren gab es nur einen einzigen Krieg, der ein nachweisbar positives Ergebnis gebracht hat. Damals ging die Vietnamesische Armee gegen das Pol-Pot Regime in Kambodscha vor. Heutzutage werden die betroffenen Länder zusammengeschossen und danach sich selbst überlassen. Gut und Böse wird von nationalen Interessen hergeleitet. Doch mit Krieg kann man kein heute bestehendes Problem der Menschheit noch lösen. Allein der investive Fehlglaube an Kriegseinsätze frisst gigantische Mittel. Die werden aber dringend gebraucht, um für internationalen Ausgleich zu sorgen. Irgendwann wird man über die Alltagspolitik unserer Tage nur noch den Kopf schütteln. Menschwerdung ist eben ein sehr langer Prozess. Ihr Artikel, liebe Frau Gaus, ist deshalb ein wichtiger Denkanstoß?! Als Kind der fünfziger Jahre hat mir meine Mutter oft von ihren drei Brüdern erzählt. Alle drei blieben auf den Schlachtfeldern des 3. Weltkrieges. Die anderen Mitglieder ihrer Familie verloren alle Habe. Mutter ging später an diesen Erlebnissen zugrunde. So und nicht anders, schmeckte der Krieg für all die, die wenigstens überlebt hatten. Wer dem Krieg das Wort redet, soll wissen, welche verheerende Narben der Letzte hinterlassen hat. Alternative: Wir brauchen eine glaubwürdige Friedenspolitik. Von Grund auf! So wie sie die deutschen Nachkriegs-Politiker einst forderten. Denn die hatten erlebt, was Krieg bedeutet! In deren Verpflichtung stehen wir noch heute!