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Kolumne Luft und LiebeBei echten Sexisten im Hirn

Wie hätten Sie diese Kolumne denn gerne? Gepiepst? Geheult? Gekeift?

K lar, im Großen und Ganzen läuft es ganz gut mit der Gleichberechtigung. Eigentlich ist alles schon erledigt. Feminismus, come on, Schnickschnack! Wozu noch kämpfen?

Frauen dürfen doch heute alles machen, was sie wollen. Sie dürfen Hosen tragen und studieren (sogar was mit Technik), ein Bankkonto eröffnen, Auto fahren, wählen oder sich wählen lassen, rauchen, abtreiben, sich prostituieren (und das Geld behalten), andere Frauen heiraten, Witze machen (sogar über Männer, hihi) oder schlimme Wörter sagen (Ficken! Fotze! Frauenfördermittel!).

Frauen dürfen sogar unaufgefordert in der Öffentlichkeit sprechen oder eigene Texte veröffentlichen. Also in Deutschland jedenfalls, und in vielen anderen Ländern auch. Natürlich gibt es dabei ein paar kleine Regeln. Wenn eine Frau ihre Meinung äußert, dann läuft das in den meisten Fällen wie folgt: Sie kann grundsätzlich eine von drei Tonlagen wählen – piepsen, heulen oder keifen. Dabei gibt es wiederum drei Nuancen: naiv (bis 35 Jahre), verbittert (ab 35 Jahre) oder hysterisch (geht immer).

Bild: privat
Margarete Stokowski

ist Autorin der taz.

Tonlage und Nuance sind frei kombinierbar. Wenn in einer Arbeitsbesprechung eine Frau etwas nicht kapiert hat, kann sie gerne nachfragen, am besten naiv piepsend: „Mimimi, kann mir das mal jemand erklären, bitte?“ Das ist zielführender und auch femininer, als groß herumzudiskutieren. Oder wenn einer Frau nicht passt, dass ein Mann seine Zuneigung durch spontane Berührungen ausdrückt, dann sollte sie hysterisch keifen: „Hallo? Das ist ja wohl mein Arsch und nicht deiner?“

Die Sache mit der Hysterie ist ein Klassiker, funktioniert aber immer wieder. Diskutierende Männer sind energisch, konsequent, manchmal aggressiv. Frauen: hysterisch. Schon mal einen hysterischen Mann gesehen? Eben.

Wer jetzt sagt, dass das schon seit ein paar Jahrzehnten nicht gilt, kann mal eben den Praxistest machen. Man braucht dazu nur die Reaktionen zu beobachten, wenn eine Politikerin sich öffentlich äußert oder wenn eine Frau in einer Talkshow auftritt oder einen Meinungstext verfasst. Es ist leider so: Frauen, die in der Öffentlichkeit ihre Meinung sagen, lösen immer noch Verwirrung aus. Deswegen ist es total praktisch, sie als piepsende Mäuschen, heulende Zicken oder keifende Furien einzuordnen. Weil Ordnung muss sein, auch online. Klar, Onlinekommentare sind genrebedingt oft gehässig und gar nicht schön, aber dafür lässt sich an ihnen die volle Bandbreite möglicher Reaktionen studieren. (Vorausgesetzt, die Debatte verläuft sich nicht in Meinungen über Frisur/Kleidung/Figur/Schminke der jeweiligen Frau. Aber auch das kann spannend sein.) Man kann online sogar echten, überzeugten Sexisten quasi direkt ins Hirn gucken, und das ist schon ziemlich interessant. Ekelhaft, aber auch interessant. So gesehen ist es total nett, dass diese Typen so gerne Auftritte oder Texte von Frauen kommentieren. Im Offlineleben ist es nämlich gar nicht so leicht, ausführlich zu erfahren, wie perverse, frauenfeindliche Schweine denken. Das geht mir jedenfalls so. Ich muss dann immer keifen.

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Margarete Stokowski
Autorin
Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff

16 Kommentare

 / 
  • S
    Sebastian

    Also wenn ich sehe was Frauen teilweise für einen Blödsinn von sich geben...

     

    Bei Männern ist man da härter...dem Mann sagt sagt man das er Bullshit redet, eine Frau kann nochsoviel Mist von sich geben aber sie hat Welpenschutz.

     

    Völlige Realitätsverdrehung.

     

    Auch Frauen müssen lernen, wenn sie ernstgenommen werdem wollen, dass sie in Zukunft nicht mehr ohne weiteres Blödsinn von sich geben dürfen.

     

    Wenn ich mir Claudia Roth anschaue weiss ich was los ist.

     

    Frauen nehmnen sich ganz schön viel raus, solange bis das Pendel wieder umschlägt.

  • DP
    Daniel Preissler

    toller Text! grad eben erst entdeckt.

    Grüße

    DP

  • S
    suswe

    Hysterische Männer kann man bei der Kommentarspalte zu Tauwetter oder bei Debatten zu Sextourismus erleben.

  • F
    frauenfreund

    Nun ja,

     

    diese Kolumne ist weder piepzig, verheult und auch nicht gekeift, sie ist einfach nur langatmig. Um mal die wesentlichen Aussagen in zwei Sätze (dann reicht es aber auch) zu destillieren: Meinungsäußernde Frauen stiften immer noch Verwirrung. Und: Im Internet kommentieren perverse, frauenfeindliche Schweine Meinungstexte von Frauen.

    Erst einmal ist es ziemlich Sexistisch, sich hinzustellen und zu behaupten, nur Männer würden Meinungstexte von Frauen sexistisch kommentieren. Denken Sie mal drüber nach. Vielleicht sind Sie ja die Sexistin.

     

    Und zweitens: So ein Käse. Sie leben in Berlin, bewegen sich mutmaßlich in einem Grün-Linksliberal-feministischen Milieu und wollen uns allen ernstes weißmachen, dass alle total aus dem Häuschen sind, wenn Sie eine Meinung äußern. Fahren Sie mal auf's Land hinaus, dann glaube ich Ihnen das vielleicht. Was aber die Mainstream-Politik-Talks betrifft, liegen Sie meilenweit daneben. Dort ist man über jede Frau froh, die offensiv Meinungen vertreten kann, siehe chefin Ines Pohl.

     

    Na, bin ich jetzt schon ein Schwein?

  • T
    T.V.

    Ein trockener Stokowski, geheult und geschüttelt bitte.

  • AN
    Auch Naja

    @Uli

     

    Ui, tolles Posting und so so wie sag ichs..na....so voller Argumente und so....

     

    Tja, das wär dann doch n bisschen zu viel verlangt.

  • O
    old_skewl

    der Text ist für meinen geschmack zu zynisch (35++ ???)

  • F
    Franz

    Ihre Frisur gefällt mir.

  • P
    petronius

    upps..

     

    jetzt hätt ich doch beinahe diesen kommentar von fr. stokowski kommentiert

     

    da ich aber leider nichts dazu beitragen kann, wie perverse, frauenfeindliche Schweine denken, laß ich es lieber

  • E
    emil

    ach bitte, im konservativen deutschland dürfen homosexuelle paare doch nicht heiraten! auch in diesem spaßzusammenhang wäre ich vorsichtig sowas zu suggerieren.

    da müssen sie schon in katholischere gefilde, etwa nach spanien oder argentinien :)

     

    @naja

    wie soll denn bitte der "geschlechterkampf" zur ruhe kommen, wenn sie, die autorin und ich munter die zweigeschlechtlichkeit reproduzieren? wir stellen doch permanent genau diesen unterschied her und affirmieren diese distinktion!

  • U
    uli

    @Naja

     

    Heul doch ...

  • N
    Naja

    Anscheinend ist es in Mode, jederzeit über alles was männlich ist völlig respektlos zu sinnieren. Da vergleicht auf der selben Seite der taz Hera Lindt (?) Männer mit Schuhen und Frau Stokowski macht aus allen Männern Sexisten. Ich sag Ihnen mal was, solche Stereotype wie Sie sie hier vertreten sind es die den Geschlechrekampf nicht zu Ruhe kommen lassen. Drehen Sie mal Ihre Rhetorik um und akzeptieren Sie dass der Begriff "Macho" wohl nur und ausschliesslich Männer betrifft. Merken Sie was?

    Schönen Tag noch Frau KolumnistINN

  • S
    ScreamQueen

    Der Praxistest ist richtig frustrierend. Bei Diskussionen, Debatten, Vorträgen, Einwänden usw. fallen Kerle einer Frau nur zu gern ins Wort oder schneiden es ihr alsbald ab. Egal ob Feministen oder Sexisten. DAS gibt zu denken.

  • AG
    Anton Gorodezky

    Angela Merkel oder Sahra Wagenknecht sind definitiv weder piepsig, verbittert oder hysterisch. Abwechselnd naiv oder hysterisch ist Claudia Roth.

     

    Und wer mal einen hysterischen Mann sehen will: soweit ich weiß hat der Michel Friedmann auf ntv oder n24 noch eine Talkshow.

  • T
    Thomas

    Ich weiß nicht warum, aber ich musste jetzt an das im Netz verbreitete Röntgenbild des Schädels von Homer Simpson denken (nach xray homer googeln) ... sehr schön. :)

  • A
    Anja

    Wunderbaaar - bitte mehr davon, hmmm.