Kolumne „Lügenleser“: Blockierte Spartaner

Die Identitäts-Faschisten kamen in Berlin keinen Fußbreit voran. Nun lügen sie sich im Netz ihre Niederlage zurecht.

Ein Aktivist trägt eine Fahne der «Identitären Bewegung» am 27.08.2016 auf dem Brandenburger Tor in Berlin. Die Fahne zeigt den griechischen Buchstaben «Lambda», das Symbol der identitären Bewegung, gelb auf schwarzem Grund

Fahnensymbol der „Identitären Bewegung“: der griechische Buchstabe Lambda Foto: dpa

Wenn die montäglichen Demonstrationen des letzten Jahres von Pegida und Co etwas gezeigt haben, dann dass es in Deutschland immer nur jemanden braucht, der den Rassismus der Massen artikuliert.

Handelte es sich zuvor um eine undefinierbare Masse von wütenden Netzkommentatoren, bekamen die vermeintlich Abgehängten nun Gesichter. Und diese Gesichter wurden nun rumgereicht.

Kein TV-Sender, der sich das teils absurde Schauspiel auf dem Theaterplatz entgehen ließ. Schließlich boten die Protagonisten neben der Tragödie ja auch jede Menge Komödie. Hier waren sie nun, die Menschen aus dem Tal der Ahnungslosen, denen man leider einen PC und WLAN zur Verfügung gestellt hat. Eine Internetbewegung schaffte es auf die Straße.

In Berlin versuchte am Wochenende eine andere Internetbewegung die Straße zu erobern. Die Hobbyspartaner um den extra aus Wien angereisten Extremisten Martin Sellner ­hatten europaweit mobilisiert, um im Migrantenbezirk Wedding zu zeigen, dass sie mehr können, als rein theoretisch die Aktionsformen der Antifa zu kopieren, nicht ganz so doll nach Neonazis auszusehen und sinnlos vor der CDU-Zentrale rumzugammeln.

Demo-Desaster

Dass die „Identitäre Bewegung“ jedoch dieselben Initialen wie „Internetbewegung“ ihr eigen nennt, sollte sich als sich selbst erfüllende Prophezeiung erweisen. Die Demonstration wurde ein Desaster.

Nach wenigen Metern bereits blockiert, von Anwohnern beschimpft und von einigen tatkräftigen Aktivisten mit Backpfeifen nach Hause geschickt, so endete der Ausflug der friedliebenden Patrioten, die sich auch ein paar Hooligans der HoGeSa zur Unterstützung geholt hatten. Half alles nichts. Das wäre eigentlich die ganze Geschichte.

Wenn da nicht das Internet wäre. Dort wird sich die Niederlage nun fröhlich zurechtgelogen. Faschisten zeichnet es allerdings schon immer aus, dass sie lügen und nicht zu ihrer politischen Haltung stehen. Ein Kommunist wird immer für den Kommunismus sprechen, auch der Sozialdemokrat trägt die abgewetzte Fahne merkwürdig stolz vor sich her, selbst die Knalltüten von der FDP stehen für ihre Meinung gerade.

Nur der Faschist möchte nicht so richtig raus mit der Sprache. Den Gipfel der Scheinheiligkeit bilden dabei die sogenannten Identitären. Hippe Instagram-Accounts, volles Haar und trendy Bärte, Wanderstiefel oder Rüschenkleid statt Bomberjacke. Die Tattoos mit der Schwarzen Sonne oder dem „Blut und Ehre“-Schriftzug verdeckt der Hemdkragen nur mäßig.

Weltbild gesichert

Die eindeutige Niederlage in Berlin wird also dort schöngeredet wo die Gruppierung ihren Nachwuchs rekrutiert: im Internet. Solange das WLAN funktioniert, ist das eigene Weltbild gesichert.

In Dresden haben die Rassisten übrigens längst das getan, was sie, abgesehen vom Verschleiern ihrer eigentlichen Ziele, am besten können: Sie haben sich zerstritten.

Lutz Bachmann ließ es sich denn auch nicht nehmen, in Berlin mal nach den Rechten zu schauen. Auf seiner Facebook-Seite las man dann von einem Erfolg auf ganzer Linie. Natürlich. Was auch sonst.

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Juri Sternburg, geboren in Berlin-Kreuzberg, ist Autor und Dramatiker. Seine Stücke wurden unter anderem am Maxim Gorki Theater und am Deutschen Theater in Berlin aufgeführt. Seine Novelle "Das Nirvana Baby" ist im Korbinian Verlag erschienen. Neben der TAZ schreibt er für VICE und das JUICE Magazin.  

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