Kolumne Liebeserklärung: Es geht steil bergab
Aldi und Lidl drücken die Lebensmittelpreise immer weiter nach unten. Nicht nur Bauern, sondern sogar Coca Cola bekommt das zu spüren.
D ie Handelskonzerne schlagen mal wieder zu: Erst Aldi, dann – wie immer mit ein wenig verschämter Verzögerung – die Konkurrenz verkünden im Wochentakt Preissenkungen für Lebensmittel. Die sind dort zwar eh schon zu billig, die Preisspirale dreht sich aber weiter – nach ganz unten: Ein Ei aus Bodenhaltung kostet bei Aldi und Lidl nur noch 9 Cent, 23 Prozent weniger als vor ein paar Tagen.
Die Händler wälzen diese Kampfpreise einfach auf die Bauern ab. Aber sind deren Kosten etwa um 23 Prozent gefallen? Natürlich nicht. Die Bauern zahlen sogar mehr als vor einem Jahr für den größten Ausgabenposten, das Futter. Selbst eher profitable Biobetriebe verdienten schon vor der Preissenkung beispielsweise nur rund einen Cent pro Ei.
Aldi scheint das egal zu sein. Eiskalt nutzt die Kette aus, dass derzeit sehr viele konventionelle Eier auf dem Markt und die Bauern somit erpressbar sind: Sie müssen Kredite für Ställe abbezahlen. Gleichzeitig sind sie dem Diktat der großen Ketten ausgeliefert.
Denn wer sonst soll ihre Eier kaufen? Die vier größten Lebensmitteleinzelhändler haben 85 Prozent des Marktes unter Beschlag genommen. Deshalb akzeptieren die Landwirte sogar Preise, die ihnen keinen Gewinn mehr ermöglichen. Wie Hohn wirkt da, dass Aldi Süd damit wirbt, der Konzern behandele seine Lieferanten mit „Verlässlichkeit, Fairness und Respekt“.
Wie dominierend die Handelskonzerne sind, musste nun selbst der Multi Coca-Cola erfahren. Dessen Getränke hat Lidl diese Woche aus dem Sortiment geschmissen, weil er sich nicht auf neue Vermarktungsbedingungen einlassen wollte. Nicht, dass Coca-Cola Mitleid verdient hätte; aber dass Lidl sich traut, eine Weltmarke seinen Kunden vorzuenthalten, zeigt: Der Discounter ist übermächtig.
Viele Bauern werden bei diesen Ausbeuterpreisen aufgeben müssen. Die Tierfabriken werden damit noch größer, der Wohlstand konzentriert sich auf immer weniger Unternehmer. Und der Staat? Sollte endlich sein wirkungsloses Verbot von Dumpingpreisen verschärfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid