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Kolumne Leuchten der MenschheitJäger des verlorenen Aufstands

Das neue Buch vom „Unsichtbaren Komitee“ phantasiert von Riots und Revolution. Doch mehr als esoterisches Ermächtigungsgefasel liefert es nicht.

Die Befreiung soll aus dem Riot erwachsen. Bild: dpa

A uch mit seiner zweiten Pamphletsammlung in Buchform enttäuscht das „Unsichtbare Komitee“ nicht. „An unsere Freunde“ (Nautilus Verlag, April 2015) ist erneut die ideale Lektüre für Potenztölpel und Dorfdeppen. Für wildgewordene Kleinbürger, die jegliche Form der Staatlichkeit als Unterdrückung deuten und sämtliches politisches Weltgeschehen direkt auf sich und ihren Gemüsegarten beziehen.

Man müsste über dieses phrasenhafte Dokument aus Frankreich kein Wort verlieren, wäre nicht der Vorgängerband („Der kommende Aufstand“) ein riesiger Verkaufserfolg gewesen. Damals, um die Finanzkrise von 2008, gärte es in Europa. Und auch die ein oder andere verwegene Wildlederjacke des bürgerlichen Feuilletons schloss sich den apokalyptischen Untergangsgesängen auf Demokratie und westlichen Kapitalismus des Unsichtbaren Komitees gerne an („wichtigstes Theoriebuch unserer Zeit“, FAS).

Nun, der große Knall blieb aus, und in „An unsere Freunde“ jagen die Autoren weiter den erhofften weltweiten Aufständen hinterher. „Bullen“ sind mit der Zwille zu bekämpfen, ob jemand die demokratische Ordnung oder eine Diktatur schützt, völlig egal. Die Befreiung soll aus Riot und Krieg erwachsen, die Parlamente brennen. „Die Epoche muss im Innersten jeder Situation und im Innersten jedes Einzelnen gesucht werden.“ Ein wahnwitzig esoterisches Ermächtigungsgefasel.

Das Buch

Unsichtbares Komitee: „An unsere Freunde“. Aus dem Französischen von Birgit Althaler. Edition Nautilus, 2015, 192 Seiten, 16 Euro

Wer nach Weisheiten sucht wie: „zwischen einem Haufen Armer und einem zu gemeinsamen Handeln entschlossenen Haufen Armer besteht ein erheblicher Unterschied“, wird allerdings bestens bedient. Die Kommune sei die „Organisation der Fruchtbarkeit“, die einzig zulässige Politikform auf Erden. Alles andere fege der Aufstand hinweg, auf dem Tahrirplatz in Kairo oder wie bei Occupy in Oakland.

Das begreifen doch alle. „Selbst die Kotzbrocken aus Versailles mit ihren ausrasierten Nacken haben in den letzten Jahren Geschmack an wilden Demonstrationen und Keilereien mit den Bullen gefunden.“ Na denn, FAS-Kollege, reih dich ein.

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Andreas Fanizadeh
Ressortleitung Kultur
Andreas Fanizadeh, geb. 1963 in St.Johann i.Pg. (Österreich). Kulturpolitischer Chefkorrespondent der taz. Von Oktober 2007 bis August 2024 Leiter des Kulturressorts der taz. War von 2000 bis 2007 Auslandsredakteur von „Die Wochenzeitung“ in Zürich. Arbeitete in den 1990ern in Berlin für den ID Verlag und die Edition ID-Archiv, gab dort u.a. die Zeitschrift "Die Beute" mit heraus. Studierte in Frankfurt/M. Germanistik und Politikwissenschaften.
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2 Kommentare

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  • Hach, schön. Da hatte jemand Spaß beim Schreiben und ich hatte Spaß beim Lesen :)

  • Nun ja, wenn die Argumentation der Kritiker allein ausschlaggebend dafür wäre, ob man sich ein Buch zulegt oder nicht, dann ist diese taz-Kritik ganz klar eine Empfehlung für das Buch! ;) Denn so "Argumente" wie "Sonst würde ich das Buch ja ignorieren, aber ich muss mich damit befassen, weil sein Vorgänger ein Bestseller war", sprechen nicht unbedingt für eine Stichhaltigkeit der Kritik. Für den Kritiker scheinen nur Bücher relevant zu sein, die sich gut verkaufen.

     

    Und auch sonst ist diese Kritik zwar recht nett geschrieben, aber inhaltlich gibt sie kaum etwas her und ich finde sie jedenfalls nicht hilfreich bei der Beantwortung der Frage, WARUM das Buch lesenswert oder eben nicht lesenswert sei.

     

    Ich meine, (Polit-)Esoterik, Phrasendrescherei und sich selbst genügende Aufstandsphantasien sind auch nicht mein Ding. Aber was sind denn nun genau die Fragen, mit denen sich das Buch beschäftigt? Leider ist diese Kritik hauptsächlich ein Kommentar ohne wirklich Bezug auf den Inhalt des Objektes der Kritik zu nehmen. Stattdessen werden uns Zitate hingeworfen, die sich zwar sehr platt lesen, aber vermutlich aus dem Kontext gerissen sind.