Kolumne Kulturbeutel: Die Unkultur der Anderen
Die Fans von Basketballmeister Alba Berlin erleben wiederholt Anfeindungen. Es bedeutet den Einbruch von Fußballfankultur in ihrer Halle.
D ie Frisuren der Spieler gehören dazu. Sie haben die Fans schon bewegt, als es noch nicht üblich war, irrwitzige Muster oder gar Botschaften in die Haare zu rasieren. Tätowierungen sind auch so etwas, über die sich viele vor allem dann freuen, wenn ein Rechtschreibfehler in die Arme gestochen wird.
Lustig können auch Fan-Tatoos sein, die die ewige Liebe zu einem Klub oder einem Spieler als Botschaft in die Welt hinaustragen. Die Kurvenchoreografien können gewaltig sein oder wirken wie für ein Kindertheater gemacht. Als Hingucker gelten sie allemal. Was Fans singen, klingt faszinierend, wenn man all die Untalentierten und Gröler aus der Masse nicht heraushört.
Fußballern, die talentfrei singen, hört man trotzdem gerne zu. Als fast schon drollig gelten heutzutage die sogenannten Kuttenfans, die auch in reifem Alter noch das Gewand tragen, auf dem ihre Mütter einst Hunderte von Aufnähern anbrachten. Böse kann man diesen Typen nicht sein, auch wenn sie an Spieltagen stockbesoffen durch Fußgängerzonen torkeln und Dinge rufen wie: „Tod und Hass dem FCX“. So sind sie halt, die Fußballfans. Das ist Fankultur. Auf sie sind die Träger dieser Kultur besonders stolz.
Was Teil dieser Kultur sein darf und was nicht, wissen die Kulturträger ganz genau. Es gibt Dinge, bei denen sich einer, der als wahrer Fußballfan gelten will, wutschnaubend abwendet. Eine Klatschpappe beispielsweise. Die gefalteten Kartons, mit denen sich so richtig laut klatschen lässt, sind vor allem bei Hallensportarten populär. Es soll Fußballfans geben, die solche Hallensportarten ganz einfach deshalb ablehnen, weil da nicht selten Klatschpappenkartons zum Selberfalten auf jedem Sitz bereitliegen. Als Unkultur wird das dann gerne bezeichnet.
Basketball ist eine dieser Sportarten, die in diesem unseren Fußballland mit dem Klatschpappenmakel leben müssen. Besonders stimmungsvoll ist es etwa beim vielmaligen deutschen Basketballmeister Alba Berlin dann, wenn 14.000 Fans im Mehrzwecktopf mit ihren Kartons klatschen. Fast die ganze Halle wird dann zum Träger dieser Hallenfankultur und und kaum einer bedauert es, dass die Gesänge der fahnenschwingenden Fanblockfans von Alba im Rhythmus des Geklatsches untergehen.
Die Eindringlinge
Ratlos standen Albas Pappefalter zweimal in den letzten Wochen dem Einbruch der Fußballfankultur in ihre Halle gegenüber. Als vor dem Euroleague-Spiel gegen die Basketballabteilung des Fußballklubs Galatasaray Istanbul Gästefans in den Albafanblock eindrangen und den Alba-Anhängern ihre schönsten Fahnen entrissen, mag das für die Gala-Fans nichts anderes als das Ausleben ihrer Fankultur gewesen sein. Für die Berliner war dies dagegen pure Unkultur. Ebenso wie die von den Gästefans gezündeten Böller.
Nicht weniger vor den Kopf gestoßen fühlten sich die brav anstehenden Albafans, als in der vergangenen Woche eine größere Gruppe von Anhängern des serbischen Klubs Roter Stern Belgrad, auch so ein Fußballverein mit angeschlossener Basketballabteilung, „Republika Srpska“ grölend an den Schlangen vorbei den Eingang zur Halle stürmten.
Als diese dann während des Spiels ihre Oberkörper entblößten und ihre Schlachtrufe anstimmten, war das gewiss ein Hingucker. Nur ist der Einbruch der Fußballfankultur in die Basketballwelt alles andere als gut angekommen beim Klatschpappenpublikum.
Gut gemeintes Sinnieren über alles Fußballerische, was nicht direkt etwas mit dem Spiel auf dem Feld zu tun hat, wird es kaum gegeben haben. Und das Klatschpappenklatschen hat sich an diesen Abenden irgendwie gut angehört. Für Unkultur standen die anderen.
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